„Die Hüter des Kompromisses“, 9. 3., Leitartikel „Staatliches Fasten“, 5. 3.
Der erste Ministerrat ist über die Bühne gegangen. Nach so langen Verhandlungen bekam diese Sitzung große mediale Aufmerksamkeit. Erwartungsgemäß versuchten die Regierungsparteien, ihre Kernvorhaben medienwirksam zu platzieren. Als routinierte Parteien auf dem Regierungsparkett haben sich die ÖVP mit dem „Stopp des Familiennachzugs“ und die SPÖ mit der „Mietpreisbremse“ diese Chance natürlich nicht nehmen lassen.
Angesichts der andauernden Teuerung und mitten in einer Wirtschaftsrezession, fehlt mir aber wirklich die Fantasie, um zu verstehen, wie der Stopp des Familiennachzugs, in dem Frauen und Kinder von Asylberechtigten länger Verfolgung ausgeliefert bleiben müssen, unsere Kaufkraft steigern und unsere Wirtschaft ankurbeln soll. Ganz anders geht‘s mir bei der Mietpreisbremse, in der Richtwertmieten ab 1. April nicht mehr erhöht werden. Damit bleibt den betroffenen Mietern schlicht und einfach Monat für Monat mehr Geld im Börserl. Insgesamt ergeben sich Ersparnisse von rund 140 Millionen Euro Mietkosten, die großteils in unseren Wirtschaftskreislauf hineinfließen werden. Infolgedessen werden die lokalen KMU unterstützt, die Arbeitslosigkeit wird bekämpft und es wird dadurch ein wesentlicher Beitrag geleistet, um endlich aus der Wirtschaftsrezession herauszukommen.
José Curado, Klosterneuburg
Keine Tricks, bitte
Die neue Regierung startet voll Elan in ihre Mammut-Aufgabe, Budget und Investitionserfordernisse unter einen Hut zu bringen. Dabei ist es wichtig, die Bevölkerung mitzunehmen, indem man sie offen informiert und ihr die Notwendigkeiten und Zusammenhänge glaubwürdig erklärt. Wenn das gelingt, wird die Bevölkerung mitziehen und das Werk gelingen.
Die Regierung muss dabei ganz besonders auch der Versuchung widerstehen, ihre eigene Glaubwürdigkeit durch Taschenspielertricks zu gefährden. Als solcher wäre wohl die (zumindest teilweise oder befristete) Wiedereinführung der „kalten Progression“ zu sehen. Diese wäre eine verkappte, sich jährlich wiederholende, automatische Steuererhöhung, die nicht durch einen Beschluss, sondern nur durch die Inflation ausgelöst wird. Sie trifft jeden Steuerzahler und ist überdies absolut leistungsfeindlich.
Wenn man schon glaubt, das Budget trotz höchster Steuerquote teilweise auch einkommensseitig sanieren zu müssen, dann muss man das auch offen sagen. Wenn nicht, wäre das ein erster Schritt, das Vorschussvertrauen der Wähler zu missbrauchen. Das aber könnte diese misstrauisch und das Gesamtprojekt schwieriger machen. Das ist es nicht wert.
Dr. Günther Pacher, Spittal
Süßes und Saures
Nach fünf Monaten Irrungen und Verwirrungen beim Finden einer neuen Regierung bekommen wir jetzt die „Zuckerlkoalition“ – eine Bezeichnung, die österreichisch „lieb“ ist. Schon allein die Tatsache, dass es jetzt wirklich so weit ist, ist „irgendwie süß“ und die Angelobung fand sogar am Rosenmontag statt, ein eigener Faschingshöhepunkt in Walzerseeligkeit?
Ist das jetzt für Österreich das Richtige? Es ist schon so viel Schräges, Unglaubliches in den letzten Wochen passiert, dass es jetzt nur mehr besser werden kann, aber wie viel Saures wir aushalten müssen, wird sich zeigen. Ich will mich aber zuversichtlich mutig auf politisch Neues freuen.
Angelika Rupp, Wundschuh
Zusammenhalt
Ich gratuliere den Parteivorsitzenden Stocker, Babler und Meinl-Reisinger zur gelungenen Regierungsbildung und wünsche viel Erfolg. Die Kompromissfähigkeit der genannten Personen ist besonders hervorzuheben, in einer Zeit wo Extremisten und Scharfmacher den Zusammenhalt und den Konsens in der Gesellschaft gefährden und diese damit spalten. Zum Genieren sind die peinlichen, hetzerischen und beleidigenden Aussagen des selbsternannten Volkskanzlers bei jedem seiner öffentlichen Auftritte.
Peter Pirker, Metnitz
Chance verdient
Die Regierung mit Schwarz, Rot, Pink wurde angelobt. Keine Rosen für die Steuerzahler/Innen. Mit der Budget-Sanierung wird die finanziell belastende Steinzeitpolitik der SPÖ mit neuen Abgaben modifiziert. Überraschend und irritierend ist für mich der rote Finanzminister, der der Gewerkschaft nahesteht. Die Politiker der Koalition haben die Chance verdient, zu regieren, solange ausgeglichene Kompromisse möglich sind. Ein Scheitern in dieser Situation wäre unangebracht.
Josef Kriegl, Graz
Nicht anstecken lassen
Tiefer geht‘s immer. Unter diesem Motto stand auch heuer wieder die Aschermittwoch-Veranstaltung der FPÖ. Die geübten Bierzeltrhetoriker bemühten sich redlich, die unterste Schublade zu bedienen, und das mit Erfolg. Das selbstmitleidige Gejammere des Möchte-doch-nicht-Volkskanzlers rundete das Programm ab. Die Schuld am Scheitern einer blau-schwarzen Koalition wurde dem politischen Mitbewerber umgehängt. Nun ist zu erwarten, dass diese Rhetorik im Parlament fortgesetzt wird. In diesem Zusammenhang sei an die anderen Parteien der Appell gerichtet, sich nicht auf dieses Niveau zu begeben, denn da können sie nur verlieren.
Oswald Gandler, Seeboden
Aus Alt mach Neu
Wir haben eine neue Regierung bekommen, und dabei fällt mir ein Zitat von Bert Brecht ein: „Ich sehe das Neue kommen – es ist das Alte“.
Rudolf Prill, Köttmannsdorf