"Ein Kunde, der heute den Mount Everest bucht, dem ist es egal, wie viel Sauerstoff er verwendet.“ Lukas Furtenbach ist professioneller Anbieter von Expeditionen zum vertikalen Endpunkt der Welt. „Wenn wir an steilen Passagen wie dem Hillary-Step merken, dass die Bergsteiger langsamer werden, erhöhen wir die Sauerstoffdurchflussrate. Das macht der Bergführer oder Sherpa vor Ort.“ 8848,86 Meter hoch liegt das Ziel im Himalaya – das noch immer zur begehrtesten Trophäe des Alpinismus gehört.
Im Jahre 2021 ist das Everest-Basecamp in Nepal eine Zeltstadt, die jedes Jahr im Mai um die 1500 Menschen beherbergt: Kunden, Sherpas, Bodenpersonal, Ärzte. Bei Furtenbach-Adventures lautet die Devise: „Sicherheit um jeden Preis mit allen Mitteln.“ Eine wichtige Komponente ist die „englische Luft“, die Sauerstoffflaschen: „Wir überwachen vom Basislager auch die Sauerstoffsättigung der Kunden.“
Furtenbach ist ein Highend-Anbieter: Eine Everest-Expedition von Nepal oder Tibet kostet um die 60.000 Euro (über 40 Tage), die schnellere Flash-Expedition 99.900 Euro und die Privat-Führung 200.000 Euro – bei Flash-Expeditionen wird zu Hause im Hypoxiezelt die Höhe simuliert. Schnelligkeit bedeutet mehr Sicherheit, erklärt Furtenbach, der selbst zweimal auf dem Gipfel stand. Ohne Flaschensauerstoff gilt dabei als Höchstleistung im Höhenbergsteigen. 10.184-mal wurde der Gipfel erklommen, von 5789 Menschen – ohne Flaschensauerstoff waren es 181 Menschen.
Angefangen hat alles 1921: George Mallory und Guy Bullock erreichten am 26. Juni den Gletscherursprung, der Sehnsuchtsort lag nur noch 25 Kilometer entfernt. Der Berg wurde im 19. Jahrhundert nach dem britischen Landvermesser Sir George Everest benannt. Sagarmatha (Stirn des Himmels) nennen ihn die Nepalesen, Chomolungma (Mutter des Universums) die Tibeter. Er ist reich an Legenden, Triumphen wie Tragödien: Die Briten George Mallory und Andrew Irvine verschwanden 1924 irgendwo oberhalb von 8000 Metern Seehöhe – lange blieb die Frage: Erreichten sie den Gipfel?

Die Großtat

Wolfgang Nairz leitete die Expedition von 1978 zum Everest
Wolfgang Nairz leitete die Expedition von 1978 zum Everest © Archiv Nairz

Die Großtat gelang am 29. Mai 1953: Der Neuseeländer Edmund Hillary und der Sherpa Tenzing Norgay erreichten den Gipfel. Eine österreichische Expedition, geleitet von Wolfgang Nairz, kam 1978 zum Berg, um den Beweis anzutreten: Es geht auch ohne Flaschensauerstoff. „Expeditionen waren damals noch etwas Besonderes, wir waren ja alleine am Berg“, erzählt Nairz. „Ich war der 60. Bergsteiger am Gipfel, heute sind es an einem Tag 300“, umreißt er die Veränderungen. Gemeinsam mit Robert Schauer aus Graz und Horst Bergmann aus Innsbruck erreichte er am 3. Mai als erster Österreicher den Gipfel: „Das war ein wichtiger Punkt in meinem Leben.“ Zwar haben Sherpas auch der Alpenvereins-Expedition geholfen, aber die Arbeit wurde geteilt: Es wurde versichert, Lasten wurden transportiert, Lager eingerichtet. Am 8. Mai erreichten der Südtiroler Reinhold Messner und der Zillertaler Peter Habeler ohne Flaschensauerstoff den Gipfel. Um den Gipfelsieg zu beweisen, hatte sich Nairz was einfallen lassen: „Wir haben ein kleines Stück Seil oben gelassen, das haben die Nächsten wieder mitgenommen und etwas anderes hingehängt.“ Heute sei man mit der Livestream-Kamera am Gipfel: „Unsere Filmkassetten brauchten im Schnitt zehn Tage nach Wien, dann hat man es in der Zeit im Bild gesendet.“

Die ersten Österreicher auf dem Gipfel: Wolfgang Nairz, Robert Schauer und Horst Bergmann
Die ersten Österreicher auf dem Gipfel: Wolfgang Nairz, Robert Schauer und Horst Bergmann © Archiv Nairz
Expedition 1978: Im Khumbu-Eisfall
Expedition 1978: Im Khumbu-Eisfall © Archiv Nairz


1978 kam auch die Achttausender-Legende Kurt Diemberger an den Everest: Zwei Achttausender hat der heute 89-jährige Kärntner erstbestiegen (Broad Peak 1957 und Dhaulagiri 1960), am 15. Oktober 1978 ein weiterer Rekord: „Mir gelang auf dem Gipfel die erste Synchrontonaufnahme, außerdem habe ich oben interviewt.“
Die erste Familie auf dem Everest waren die Wirte der Neuen Prager Hütte in Osttirol: Die Vorarlberger Wilfried Studer und seine Frau Sylvia sind nicht nur gestandene Alpinisten, sie haben den Everest elfmal probiert: „Erst beim zwölften Versuch haben wir mit Tochter Claudia den Gipfel erreicht.“ Mutter und Tochter Studer waren am 23. Mai 2010 auch die ersten Österreicherinnen auf dem Gipfel.

Sylvia, Claudia und Wilfried Studer: erste Familie auf dem Everest
Sylvia, Claudia und Wilfried Studer: erste Familie auf dem Everest © Studer


Alle Daten rund um den Everest werden von der Himalayan Database verwaltet: „Miss Elizabeth Hawley hat 1963 als freischaffende Journalistin die erste nordamerikanische Everestexpedition verfolgt. Später nahm sie alle Expeditionsgipfel in Nepal mit hinzu und heute haben wir 468 Gipfel in der Datenbank“, erklärt Billi Bierling, Managing Director der „Himalayan Database“. Auch sie sieht die Veränderungen am Berg: „Irgendwann sind die 14 Achttausender aufgrund der enormen Unterstützung der Sherpa, Helikopterflüge und Technologie so zugänglich geworden, dass sie zum Ziel von vielen Menschen geworden sein werden.“ Die Einsamkeit am Berg – wie sie noch Wolfgang Nairz erlebte – ist vorbei. Wenn auch der Everest-Aspirant kommerzieller Expeditionen aus der Sicht der Weltklasse ein „Touristen-Bergsteiger“ ist. Furtenbach: „Das sind alles gut ausgebildete Bergsteiger mit Expeditionserfahrung. Es ist körperlich und mental eine Herausforderung.“ Chomolungma bleibt lebensgefährlich.

Billi Bierling war schon auf den Gipfeln der Achttausender Everest, Manaslu, Cho Oyu, Lhotse und Makalu
Billi Bierling war schon auf den Gipfeln der Achttausender Everest, Manaslu, Cho Oyu, Lhotse und Makalu © Billi Bierling