Schritt für Schritt nähert sich eine 1,80 Meter hohe Wand aus purer Kraft und Ausdauer einem jetzt noch kleiner wirkenden Tisch in einem noch kleiner wirkenden Café. Das Wasser in den Gläsern erzittert, ein grimmiger Blick – gepaart mit einem jahrelang antrainierten Bierbauch und einer Glatze – sorgen für ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Die Stimme des Athleten ist laut aber liebevoll. “Es freut mich, wenn sich jemand für meine verrückten Geschichten interessiert.” Und diese “verrückten” Geschichten haben es wahrlich in sich: Der mehrfache Weltrekordhalter schwamm in einigen der gefährlichsten Flüsse, verlor dabei fast sein Leben und musste sich mit Bullehaien und Piranhas herumschlagen. Alles aus einem Grund: Umwelt- und Klimaschutz.

Wie ein “Öko-Freak” aus dem Bilderbuch sieht Strel nicht gerade aus. Glatze statt Dreadlocks ist bei ihm angesagt. Und trotzdem spielt Umweltschutz eine wichtige Rolle in seinem Leben. “Ich kenne die Flüsse in Deutschland, Österreich und Slowenien sehr gut. Da hat sich vieles zum Guten verändert. Früher waren es Müllhalden, heute haben manche annähernd Trinkwasserqualität.” Woher er die Flüsse so gut kennt? Unter anderem von seinen zahlreichen Abenteuern und Weltrekordversuchen. Den ersten nahm er entlang der Donau auf sich. “Es war die Jahrtausendwende und ich wollte etwas neues ausprobieren. Zehn Länder, verschiedene Sprachen und Kulturen, die Donau war der perfekte Start”, meint er.

Martin Strel im Gespräch mit dem Autor.
Martin Strel im Gespräch mit dem Autor. © David Marousek

Der erste Rekord

Gesagt, Getan. Nach kurzem Training ging es mit einem kleinen Team auf den zweitlängsten Fluss Europas, unzählige Probleme inklusive. “Schleusen und Dämme greifen oft in die Natur des Flusses ein. Ich habe mich für ihre Öffnung eingesetzt, leider ohne viel Erfolg”, erinnert sich der Extremsportler. Doch nicht nur die Umwelteinflüsse machten Strel zu schaffen. Sein Körper wurde von den Strapazen sehr beansprucht. Die Schulter schmerzte, die Luft wurde knapp, er verlor immer mehr die Orientierung. Kurz vor der Aufgabe passierte ihm dann etwas “Unglaubliches”, wie Strel es selbst beschreibt: Ohne jegliche Körperaktivität treibt er im Wasser wie ein großes Stück Holz. Keine gezielten Armbewegungen, kein Antrieb nach vorne. Das graue Donauwasser schießt an ihm vorbei, und bricht wie eine Wand aus Beton immer wieder auf ihn herein. In seinem Kopf wird das Rauschen immer lauter, die Schreie seines Teams verstummen. “Irgendwann war ich in Trance und für zwei Minuten weg. Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, dass ich weiter geschwommen bin. Seither kann ich mich immer in diesen Zustand versetzen”, verrät der mehrfache Weltrekordhalter. Mit dieser Technik schaffte er schließlich die 3004 Kilometer entlang der Donau in 58 Tagen. Das sind mehr als 51 Kilometer am Tag und zwei in der Stunde. Die Augen der slowenischen Leistungsmaschine beginnen immer mehr zu leuchten, als er von seinen Abenteuer erzählt, seine Stimme wird im Laufe des Gesprächs immer lauter und aufgeregter, ehe er in tiefes Lachen ausbricht: “Das wäre zu Beginn undenkbar gewesen!”

Eine Kindheit unter Wasser

Bereits im Kindesalter hatte Strel eine ganz besondere Verbindung zum Wasser. “Das Wasser war mein Zufluchtsort. Ich konnte mich dort vor allen verstecken, lange die Luft anhalten oder mich mit anderen duellieren”, erzählt er. Das Lachen ist verstummt, viel ernster und nachdenklicher wirkt der große Mann nun auf dem kleinen, schwarzen Stuhl, beinahe verunsichert. Vom Selbstbewusstsein des bisherigen Gesprächs fehlt jede Spur. Kein Wunder, seine Kindheit im ehemaligen Jugoslawien war nicht einfach: Harte Arbeit und Schikanen seines Vaters standen auf der Tagesordnung. Dieser verbot ihm auch das Schwimmen im nahegelegenen Fluss. Dem jungen Martin war das aber egal, er wusste, dass er im Wasser für die restliche Welt unerreichbar war. “Minutenlang unter Wasser sein, ohne Probleme, ohne Nachdenken - das gab mir Kraft!”

Doch das Wasser war für ihn nicht nur Rückzugsort. Von Zeit zu Zeit wurde es immer mehr zu seiner Wettkampfarena. Anfangs gegen Mitschüler und Freunde, später sogar gegen das in der Nähe stationierte Militär. “Zwei Soldaten schwammen mit mir im Jugendalter um einen Kasten Bier und, sagen wir so, sie haben ihn nicht bekommen.” Und da ist es wieder. Das lautstarke tiefe Lachen, das dazu animiert, die Freude des Erzählers über seine Geschichten zu teilen. Der Tisch droht ob der heftigen Schläge, die er einsteckt, gleich zusammenzubrechen, aber ein mehrfacher Weltrekordhalter und wahres Kraftpaket freut sich eben auch ein wenig ausgelassener als so manch anderer.

Der Extremschwimmer wird immer von mehreren Booten eskortiert.
Der Extremschwimmer wird immer von mehreren Booten eskortiert. © Borut Strel

Diese Kraft kommt bei ihm nicht von irgendwo. Trainieren, trainieren, trainieren ist vor jedem Projekt angesagt. Und wer da an Morgenläufe und Liegestütze an jedem dritten Tag denkt, liegt gehörig falsch. Die Vorbereitungen laufen meistens über Monate. Sechs bis sieben Stunden Training pro Tag, von Gymnastik über Gewichtestemmen bis hin zum Ausdauerlauf. Entscheidend ist am Ende aber etwas ganz anderes, wie Strel erklärt: “Du musst im Kopf bereit sein. Bereit sein, alles zu geben. Wenn du das nicht machst, bist du schon vorher tot!” Kurze Stille macht sich breit. Ob gewollt oder nicht macht der Athlet eine kurze Pause, ehe mit der Erzählung seines bis jetzt größten Abenteuers fortsetzt.

Von Piranhas bis Bullenhai

Im Frühjahr 2007 begab er sich mit einem Filmteam nach Südamerika, um den wasserreichsten Fluss der Erde zu durchschwimmen. Im Amazonas wollte er sein bisher größtes Zeichen setzen und mehr als 5000 Kilometer ohne einen Tag Pause bewältigen. Nicht nur die Natur des Menschen hat vieles gegen ein solches Vorhaben, auch die tierischen Bewohner des Tropengebietes machten es Strel nicht leichter. Dagegen halfen teils kurios anmutende Maßnahmen: Kein Schwimmen in der Nacht, um die Krokodile abzuhalten; Ruhe bewahren, wenn ein Bullenhai in der Nähe ist; und immer einen Sack mit Blut und Fleischresten im Gepäck haben, für die hungrigen Piranhas. “Alles ganz einfach, wenn man vorbereitet ist!”, sagt Strel mit einer völlig entspannt. Während seinem Zuhörer schon das Herz beim Wort “Piranhas” in die Hose rutscht, bringt ihm die Erinnerung kein bisschen aus der Ruhe. Er erzählt munter weiter.

Tausende Schaulustige verfolgten das Amazonas-Abenteuer von Martin Strel.
Tausende Schaulustige verfolgten das Amazonas-Abenteuer von Martin Strel. © Borut Strel

Sümpfe, Wälder und Wurzeln machten ein Weiterkommen so gut wie unmöglich, Nahrung suchte er sich im Dschungel oder kaufte sie von Einheimischen - das forderte auch seinen Tribut. “Zu Beginn wog ich 114 Kilogramm, am Ende gerade noch 94. Pro Tag verlor ich fast einen halben Kilo an Gewicht, obwohl ich ausreichend aß und trank.” Doch nicht nur die Essensaufnahme stellte ihn vor Probleme, auch beim Thema Schlaf kam es zu einigen Komplikationen. “Ich konnte nicht abschalten. Wenn ich die Augen geschlossen hatte, schwamm alles um mich herum.” Trotzdem erreichte er im April 2007 nach mehreren Wochen völlig ausgelaugt sein Ziel: die brasilianische Stadt Belém am Atlantik. “Danach konnte ich für Monate nichts tun, weder Laufen noch Schwimmen. Ich war einfach kaputt.”

All das wirkt so selbstverständlich, wenn der “Riverman” darüber erzählt. Nur ein Thema bringt den Slowenen an diesem Tag aus der Ruhe. “Unsere Generation hat viel zu wenig für diese schöne Welt getan. Die heutige Jugend macht mir Hoffnung, aber ob das, was sie tut, reicht, weiß ich nicht. Ich werde auf jeden Fall weitermachen.” Während sich andere mit 65 Jahren auf die Pension freuen, arbeitet Martin Strel daran, die Welt zu umschwimmen. “Ich will in allen Ozeanen und Meeren ein Zeichen für eine gemeinsame und saubere Erde setzen.“