Dem Epidemiologen Gerald Gartlehner fehlt in dem am Mittwoch vorgestellten "Stufenplan" der Regierung, "dass eigentlich nichts dabei ist, das die Ursache des Problems behandelt - nämlich, wie wir die Impfrate erhöhen". Man müsse sich vor Augen halten, dass die sich zuspitzende Covid-19-Situation "völlig vermeidbar" ist, wenn sich mehr Leute impfen lassen würden. Dass der Fokus nun auf den Krankenhauskapazitäten liegt, findet Gartlehner "gut".

Leider handle es sich bei dem Paket um "Symptombekämpfung", die noch dazu nicht unmittelbar einsetzen soll. Warum Maßnahmenverschärfungen nämlich nach dem Erreichen von bestimmten Grenzwerten bei der Belegung der Intensivstationen erst sieben Tage später in Kraft treten, "kann ich überhaupt nicht nachvollziehen", so der Experte für Evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems zur APA: "Es sieht ja jeder in welche Richtung es geht und worauf man sich vorbereiten muss." Man hätte die Maßnahmen bereits früher und schärfer machen können, betonte er in der ZiB2.

"Stufe 2" des Plans sieht etwa sieben Tage nach Überschreitung einer Intensivstations-Auslastung von 15 Prozent (300 Betten) u.a. die 2G-Regel in der Nachtgastronomie und bei Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze mit mehr als 500 Personen vor. Diesen Schwellenwert sieht Gartlehner "eigentlich schon ums Eck".

Außerdem werden dann Antigentests mit Selbstabnahme ("Wohnzimmertests") nicht mehr als Nachweis für Bereiche mit 3G-Einstrittsregel gültig sein. Dass "diese unsäglichen Wohnzimmertests" nicht sofort abgeschafft werden, kritisiert der Epidemiologe. Deren Einsatz sei vor einem halben Jahr noch vertretbar gewesen, nun sei dem aber nicht mehr so. Immerhin ungefähr 50 Prozent der asymptomatisch Infizierten würden nämlich übersehen. "Da leisten wir uns schon ein großes Risiko."

Die breitere Rückkehr der FFP2-Maske bewertet Gartlehner als positiv. Zumindest parallel zu den heute umrissenen Verschärfungen sollten deutlich mehr Impfkampagnen gefahren oder der Druck auf Ungeimpfte erhöht werden. Da habe sich im Sommer nicht viel getan, obwohl die Regierung "ja nicht gerade ungeübt" im Fahren von Kampagnen sei, so Gartlehner. Außerdem sei es in Österreich "fast noch ein bisschen zu bequem, ungeimpft zu sein". So könnte man Testgültigkeiten weiter verkürzen oder "finanzielle Beiträge" bei Testen einheben. In den USA etwa würden Krankenkassen bis zu 200 Euro zusätzlich pro Monat von ihren Versicherten einheben, das sei für viele Menschen eine Motivation sich impfen zu lassen. Eine Impfpflicht hält er zumindest für Gesundheitsberufe für überfällig.

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