Die Zulassung einer Covid-19-Impfung steht unmittelbar bevor: Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat für den 29. Dezember bzw. für den 12. Jänner angekündigt, über die Zulassung für die Impfstoffe von BioNTech/ Pfizer und Moderna für die EU zu entscheiden. Doch bringt die Impfung wirklich den Wendepunkt in der Pandemie? Darüber sprachen Experten in einem Hintergrundgespräch.

Es werde in Österreich keine Impfpflicht geben - das betonte Clemens Martin Auer, Covid-Sonderbeauftragter im Gesundheitsministerium einmal mehr. Das gelte auch für Menschen, die im Gesundheitsbereich oder in Pflegeheimen arbeiten. Der Schlüssel zu einer möglichst hohen Durchimpfungsrate gegen Covid-19 liegt für Auer in der Ärzteschaft und beim weiteren Gesundheitspersonal. Da es "keinen Rechtszwang zur Impfung geben wird", müsse man diese Gruppen optimal über die einzelnen Impfstoffe aufklären. Gelinge das nicht, "fallen die anderen Dominosteine".

Start in Pflegeheimen

In Österreich sieht die Strategie den Start bei Bewohnern und Mitarbeitern in Alten- und Pflegeheimen im Jänner vor. Da es sich hier um den am stärksten gefährdeten Bereich handelt, sei diese Vorgehensweise "ganz logisch", weil sie auch die größte Entlastung für Krankenhäuser und Intensivstationen mit sich bringe, so Auer. Hier sollten sich wirklich möglichst alle - quasi vom Oberarzt bis zur "Blumenhändlerin" - immunisieren lassen.

Damit dies gelingen kann, müsse man vor allem Ärzte und Pfleger mitnehmen. Ist die Ärzteschaft von der Sicherheit und Sinnhaftigkeit der Impfung nicht ausreichend überzeugt, könnte es mit dem Erreichen der epidemiologisch notwendigen Durchimpfungsrate zwischen 60 und 65 Prozent schwierig werden, so Auer.

Die Durchimpfungsrate von 60 bis 65 Prozent wünsche sich Auer auch für den besonders sensiblen Bereich der Alten- und Pflegeheime. "Sein Minister" - Gesundheitsminister Rudolf Anschober wünsche sich eine Durchimpfungsrate von zumindest 50 Prozent "plus einem großen X", sagte Auer.

Aber auch die Träger der vielfach stark Covid-19-gebeutelten Einrichtungen hätten Fürsorgepflichten gegenüber Patienten und Mitarbeitern: "Die Impfung ist ein adäquates Mittel um das Risiko zu minimieren", so der Appell des Sonderbeauftragten. Abseits einer nicht vorhandenen Impfverpflichtung habe man hier auch nicht mehr Instrumente an der Hand, um die Ziele zu erreichen.

Für den baldigen Start von "klaren und guten Informationskampagnen" sprach sich Monika Lechleitner, Direktorin des Landeskrankenhauses Hochzirl - Natters (Tirol) aus. Nicht nur die Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen, sondern vielfach auch die regelmäßigen Besucher gehören zur vulnerablen Gruppe der Über-65-Jährigen, sagte die Geriatrie-Expertin. Dazu komme, dass viele Menschen über 60 österreichweit Familienmitglieder zuhause pflegen. Die Impfung biete Schutz für ältere Menschen und ihre Umgebung, denn die Altersgruppe "60 plus" habe bekanntlich eine rund fünffach erhöhte Sterblichkeitsrate, so Lechleitner.

Nicht zuletzt gilt für ältere Menschen auch ein klar erhöhtes Risiko, auf einer Intensivstation zu landen. Vor rund drei Wochen habe sich hier die Situation stark zugespitzt, so der Leiter Intensivstation der Medizinischen Universität Wien, Thomas Staudinger. Seit Covid-19 "haben wir das Gesundheitssystem nicht so laufen, wie wir es gewohnt waren". Aufgrund fehlender Ressourcen zur Behandlung seien laut internationalen Schätzungen bis zu einem Drittel der zusätzlichen Todesfälle gar nicht durch Covid verursacht. "Die Impfung ist eine Möglichkeit den Druck aus dieser Situation zu nehmen", sagte der Intensivmediziner, der auch nach einer breiteren Impfkampagne davon ausgeht, dass es noch Monate dauern könne, bis in seinem Gebiet wieder der ohnehin immer stark ausgelastete Normalzustand einkehrt.

"Wir brauchen eine Empfehlung zur Impfung"

Daher plädierte auch Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission des Bundeskanzleramts, für Empfehlungen für eine Impfung in der Öffentlichkeit. Die Gratisimpfung sei ein "Privileg, das wir annehmen sollten". Die Kommission gehe bei ihren Annahmen zwar von gut verträglichen und wirksamen Impfungen aus, eine Empfehlung zur Verpflichtung gebe man aber nicht ab, auch weil zu den einzelnen Impfstoffen aktuell noch relativ wenig gesicherte Informationen vorliegen.

Ob etwa in Zukunft bei der Einreise nach Österreich ein Nachweis einer Covid-19-Impfung notwendig sein könnte, lasse sich noch nicht beurteilen. Diese "politische Frage" stelle sich in erster Linie für den gesamten Schengenraum und sei momentan "nicht auf Tagesordnung", könnte aber dort landen, sagte Auer. Es gebe beispielsweise Überlegungen seitens der Weltgesundheitsorganisation WHO über die Aufnahme von Covid-19-Impfungen in den internationalen Impfpass. Für den Fall, dass so etwas kommt, braucht es laut Auer auch lückenlose digitale Informationen darüber, wer in Österreich schon geimpft wurde.

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