Sie wurden mit Spannung erwartet: Beim Kardiologen-Kongress in München wurden die neuen Leitlinien für die Behandlung von zu hohem Blutdruck vorgestellt.

Sie sehen grundsätzlich weiterhin vor, dass ein Blutdruck ab einen Grenzwert von 140/90 mmHg behandelt werden soll. Bei älteren Patienten werden aber höhere Grenzwerte akzeptiert.

Nebenwirkungen vermeiden

Wie die Präsidentin der Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG), Andrea Podczeck-Schweighofer, darlegte, werden zum Teil bis zu 160 mmHg toleriert, "um unerwünschte Nebenwirkungen durch zu intensive medikamentöse Therapie zu vermeiden".

Nur in bestimmten Fällen soll bereits in einem Bereich von normalem Blutdruck im oberen Bereich (130 bis 139 zu 85 bis 89 mmHg) medikamentös behandelt werden. "Nämlich dann, wenn aufgrund einer Vorerkrankung ein besonders hohes Risiko für eine Herz-Kreislauferkrankung besteht", sagte Podczeck-Schweighofer.

Als Behandlungsziel  gilt wie bisher grundsätzlich eine Senkung auf unter 140/90 mmHg, bei gut tolerierter Therapie sollte 130 mmHg als systolischer Wert angestrebt werden.

Für Patienten unter 65 Jahren soll ein Zielwert von 120-129 mmHg angestrebt werden. Ein Zielwert unter 120 mmHg ist in keiner Patientengruppe zweckmäßig, weil hier die Risiken den potenziellen Nutzen überwiegen.

4 Millionen mehr US-Patienten bekommen Medikamente

Die neuen europäischen Leitlinien zum Bluthochdruck wurden mit großem Interesse erwartet, da im vergangenen Jahr in den USA die Werte für die Behandlungsbedürftigkeit gesenkt worden sind.

Demnach ist ein Bluthochdruck ab 130/80 mmHg gegeben. Als medikamentös behandlungsbedürftig gelten Patienten mit einem Blutdruck jenseits von 130/80 mmHg in den neuen US-Leitlinien dann, wenn sie zusätzliche Risikofaktoren aufweisen.

Andere Patienten sollen mit Allgemeinmaßnahmen behandelt werden. "Aber selbst so sind gemäß den neuen US-Leitlinien in den USA alleine etwa vier Millionen Menschen zusätzlich medikamentös behandlungsbedürftig, die es bei einem Schwellenwert von 140/90 mmHg nicht wären", bemerkte Podczeck-Schweighofer.

Von Anfang an zwei Wirkstoffe

Neu ist in der soeben veröffentlichten Blutdruck-Leitlinie eine Behandlungsempfehlung: Demnach sollte bei einer Mehrheit der Hochdruck-Patienten künftig von Anfang an eine Behandlung mit zwei unterschiedlichen Substanzen durchgeführt werden.

Bisher wurde empfohlen, zunächst mit einem Medikament zu beginnen und erst bei Bedarf mit einem zweiten oder dritten Medikament zu kombinieren.

Sollte der Bluthochdruck mit einer Kombination von drei blutdrucksenkenden Substanzen nicht ausreichend gesenkt werden können, sollte auch ein Diuretikum dazugegeben werden.

"Änderungen im Lebensstil werden auch in der neuen Leitlinie allen Patienten empfohlen", sagt Podczeck-Schweighofer. Dazu gehören: 

  • eine Reduktion des Salzkonsums,
  • gesunde Ernährung,
  • regelmäßiges körperliches Training,
  • Nikotinverzicht und
  • das Anstreben von Normalgewicht.

Zur bisherigen Empfehlung, Alkohol nur moderat zu konsumieren, kommt nun ausdrücklich der Hinweis, dass das sogenannte Koma- oder Rauschtrinken ("binge drinking") vermieden werden soll.

Bluthochdruck und Krebs

Hinsichtlich des Themas Bluthochdruck und Krebs wird festgestellt, dass ein vorübergehendes Aussetzen der Krebsbehandlung erwogen werden kann, wenn sehr hohe Blutdruckwerte auch mit einer Kombinationsbehandlung nicht kontrollierbar sind.

Ebenfalls neu ist eine Empfehlung zu Bluthochdruck und körperlicher Anstrengung im Hochgebirge. Demnach sollten Patienten mit stark erhöhtem Blutdruck darauf verzichten, sich in Höhenlagen von mehr als 4.000 Meter Seehöhe zu begeben.

Bluthochdruck ist nicht nur ein wichtiger Risikofaktor für Schlaganfälle, sondern erhöht auch das Risiko für Herzschwäche, Vorhofflimmern, Niereninsuffizienz, periphere Verschlusskrankheit oder Demenzerkrankungen.