Die Coronapandemie wird zwar schon länger nicht mehr als internationale Gesundheitskrise eingestuft, aber das Thema Impfungen erhitzt weiterhin die Gemüter. Auf den sozialen Medien zirkulieren weiterhin Verzerrungen oder Falschmeldungen. Derzeit wird eine Videomontage oft geteilt, wonach die Wirkung der Impfung laut aufeinanderfolgenden Headlines in Zeitungen kontinuierlich abgenommen habe. Das Video ist bereits länger im Umlauf, wurde zuletzt aber etwa von Elon Musk auf seiner Plattform X (ehemals Twitter) mit riesiger Reichweite verbreitet.

Eine schnelle Einschätzung

Die Darstellung, die mit den im Video verwendeten Zeitungsüberschriften suggeriert wird, ist irreführend. Die Überschriften sind chronologisch falsch wiedergegeben und es werden teilweise „Real Life“-Studien mit klinischen Studien verglichen, was wissenschaftlich wenig Sinn ergibt.

Die Überprüfung im Detail

Im Video werden insgesamt 111 Überschriften und Zitate mit dramatischer Musik untermalt. Beginnend mit einer behaupteten 100-prozentigen Wirksamkeit der Impfung sinkt der Prozentwert kontinuierlich auf 85 Prozent, dann 50 Prozent und 39 Prozent, bis hin zu der Frage, ob die Impfung überhaupt sinnvoll ist. Dabei stammen die Überschriften mit der geringsten Wirksamkeit von früh aus dem Entwicklungsprozess der Impfung.

X-Eigentümer Elon Musk hat das irreführende Video über X verbreitet
X-Eigentümer Elon Musk hat das irreführende Video über X verbreitet © Screenshot X/Elon Musk

Am Beispiel der ersten paar Schlagzeilen lässt sich schon die Verzerrung der Chronologie erkennen. Der erste Ausschnitt, „AstraZeneca COVID-19-Impfstoff 100 Prozent wirksam zur Verhinderung von Todesfällen und Krankenhausaufenthalten: US-Studie“ ist auf die Studie von März 2021 bezogen. Die nächste Schlagzeile, diesmal von der Fox-News -Website, erschien im Februar 2021. Der nächste Screenshot ist von September 2020, bevor Impfstoffe zugelassen wurden: „Impfstoffkatastrophen in der Vergangenheit zeigen, warum ein überstürzter Einsatz eines Impfstoffs gegen das Coronavirus ‚kolossal dumm‘ wäre“.

Alle Screenshots stammen aus der Frühphase der Impfstoffe

Alle Screenshots stammen von zwischen September 2020 und Oktober 2021, also aus der Phase, in der die Impfung vom Entwicklungsstadium zur Zulassung für den menschlichen Gebrauch überging und eingesetzt wurde. Eine Meldung stammt jedoch aus dem Jahr 2011 und dreht sich um eine andere Impfung, nämlich eine gegen Lungenentzündungen.

Die angeführten Studien beziehen sich auf verschiedene Arten von Impfungen, verschiedene Corona-Varianten sowie Livestudien und klinische Studien. Vor allem die letzteren eignen sich schlecht für einen Vergleich, da die Rahmenbedingungen und die Testpersonen als auch die Entwicklungsstände des Impfstoffes sich grundlegend unterschieden.

Zitierte Studien sind nicht miteinander vergleichbar

Die bereits erwähnte erste Überschrift bezieht sich auf eine sogenannte Phase-III-Studie vom AstraZeneca-Impfstoff, also die letzte Stufe einer klinischen Studie, bevor sie auf den Markt geht. Eine zweite Meldung später im Video bezieht sich auf eine „Real life“-Studie der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC. Bei Studien, die nicht im klinischen Kontext stattfinden, sind oft diversere Teilnehmer mit etwaigen Vorerkrankungen und auch weniger kontrollierbare Rahmenbedingungen aufzufinden. Aus diesem Grund können divergierende Resultate entstehen.

Die Impfung wurde zudem anfangs gar nicht in der Hoffnung entwickelt, die Chance einer Infektion zu verhindern. Ziel war es vor allem, Todesfälle und im besten Fall schwere Verläufe zu verhindern. Umso überraschender waren Studienergebnisse, die unter anderem Pfizer-CEO Uğur Şahin im Februar 2021 in einem BILD-Artikel erwähnte. Demnach habe es nach der Impfung einen Rückgang von 92 Prozent bei positiven PCR-Tests gegeben. Das hätte bedeutet, dass damals die Impfung sogar einen Großteil aller Menschen vor einer Infektion bewahren konnte.

Das Fazit: Dramaturgische Tricks, kein aussagekräftiger Überblick

Dass die BILD-Zeitung damals diese überraschende Nachricht mit „Geimpfte sind NICHT mehr ansteckend!“ betitelte, wurde über die letzten Jahre von Impfkritikern ins Rennen geführt, um zu zeigen, dass die Impfung offenbar die gegebenen Versprechen nicht halten kann. Tatsächlich nahm die Effektivität von symptomlosen und milden Infektionen mit der Zeit und den diversen Mutationen des Virus kontinuierlich ab. Das vorliegende Video ist allerdings kein aussagekräftiger Überblick über diesen Prozess und benutzt dramaturgische Tricks, um die Impfung in ein schlechtes Licht zu rücken.