Sie werden in wenigen Tagen 80. Als Weltklassealpinist haben Sie Grenzen überschritten, die die meisten nie erreichen werden: Wie viel war davon Können und wie viel Glück?
PETER HABELER: Ich würde das Glück vor das Können stellen. Wir haben schon ein bisserl was gewusst, obwohl es Bergsteiger gibt, die mehr wissen und auch zu Tode kommen. Da braucht es nicht viel. Wir haben schon sehr viel Glück gehabt, wenn ich da an meine Partner denke.


Hat der 8. Mai 1978, als Sie an der legendären Alpenvereins-Expedition unter der Leitung von Wolfgang Nairz gemeinsam mit Reinhold Messner als erste Menschen ohne Flaschensauerstoff den Gipfel des Mount Everests erreichten, Ihr Leben radikal verändert? Oder war das schon vorher, als Sie 1975 mit dem Hidden Peak den ersten Achttausender im Alpinstil schafften?
Der Hidden Peak war genauso wichtig. Ich würde aber noch ein bisserl vorher ansetzen. Als wir 1969 mit Reinhold Messner in der Expedition von Otti Wiedmann in die Anden reisten (und die 1300 Meter hohe Ostwand des Yerupaja Grande meisterten, Anmerkung). Ich bin ja mit Bergführern aufgewachsen. Ich war sechs Jahre alt, als ich den Papa verloren habe. Die Bergführer aber haben mich geprägt. Was ich als Kind lerne, das bleibt ein ganzes Leben lang haften. Als Kind bin ich wie ein Schwamm. Und der Blasl Sepp (der Osttiroler Alpinist Sepp Mayerl, Anmerkung) hat dem Reinhold und mir und anderen sehr viel beigebracht. Und dann bist du in der Lage, den Everest auch ohne Flaschensauerstoff zu versuchen. Natürlich musst dich schon was trauen und aus der Komfortzone raushupfen. Wenn du dann einen gleichwertigen Partner hast, ist das super. Vom Messner habe ich gewusst, der fällt nicht runter. Und natürlich müssen wir dabei ein Mordsglück haben und das haben wir gehabt.


Die Berge geben nicht nur, sie nehmen auch: Viele Ihrer Freunde haben ihr Leben gelassen. Auch David Lama, mit dem Sie noch im Alter von 74 Jahren die Eiger Nordwand packten, verunglückte 2019.
Ja, der David war ein Überflieger. Unheimlich gut als Bergsteiger, unheimlich gut als Mensch. Der David hat bei mir als Fünfjähriger angefangen in einem Jugendkurs auf der Kasseler Hütte. David hat im Gebirge begonnen, hat sich später in der Halle das Rüstzeug für den Fels geholt. Er war ein Ausnahmetalent, leicht, behände und hatte das Glück der guten Partner, wie zum Beispiel Jorg Verhoeven oder Peter Ortner, der ist bescheidenm aber gewaltig gut drauf.


Sie fanden nach dem frühen Tod Ihres Vaters mit dem Bergführer Toni Volgger oder dem Alpinisten Sepp Mayerl Ersatzväter. Haben die Berge Ihre Familie wieder ein Stück weit größer gemacht?
Ja, mein Gott. Ich war immer fixiert auf die Berge, auf die Spitzen. Im Zillertal, in Mayerhofen, sieht man die Berge. Es muss ja nicht jeder Bergsteiger werden, der dort geboren ist, aber mich hat es fasziniert. Ich wollte das erkunden. Mein Weg war vorgezeichnet und als ich mit etwas über 20 Jahren die Berg- und Skiführerausbildung hatte, war ich gerettet.


Schaut man in die Berge, sieht man, wie stark sich auch dort die Klimakrise auswirkt. Wo sehen Sie da die Zukunft Ihrer Bergheimat?
Da müsste man eine Glaskugel hernehmen. Aber unzweifelhaft ist, dass es wärmer wird. Wir müssen uns zurücknehmen. Ich muss die Natur respektieren, die ist stärker als wir.


Wenn Sie zurückdenken, auch an die vielen Verluste, waren die Berge die richtige Entscheidung?
Die Berge haben mir alles gegeben. Die Berge haben mir ein Einkommen ermöglicht, später ging ich auf Expeditionen, hielt Vorträge und durfte zeigen oder musste auch zeigen wie gefährlich der Berg ist. Bewegung ist Leben, sobald ich mich nicht mehr bewege, werde ich zur Mumie. Meine Triebfeder ist die Freude an der Bewegung.