Es beginnt alles mit einer dunklen Vorahnung und einem beißenden Geruch. Diese Vorahnung verwandelt sich für die Zuseher, die sich in einer heruntergekommenen Apartmentanlage in Milwaukee wiederfinden, bereits in den ersten Minuten in traurige Gewissheit. In "Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer" begeben sich True-Crime-Fans auf die Spuren einer der berüchtigten Serienmörder des vergangenen Jahrtausends. Die Chronologie der Miniserie gleicht einer "Alpha-Omega-Struktur", aber in diesem Fall bildet der Anfang der Serie das Ende. Der Serienmörder Dahmer (Evan Peters) trifft in der ersten Folge auf sein letztes Opfer, das ihm glücklicherweise entkommen konnte und daraufhin den Mörder selbst ans Messer liefert. Mit seiner Festnahme endet seine Mordserie im Jahr 1991, 17 junge Männer und Teenager hat Dahmer damals bereits getötet, verstümmelt und teilweise gegessen.

Wie alles begann

Warum und wie es dazu kam – das wird in den kommenden neun Folgen unterbreitet, die Zuseher erhalten intime Einblicke in Jeffs Kindheit und Jugend. Außerdem bringt die Serie eine Besonderheit mit sich, normalerweise werden die Geschichten in diesem Genre rund um den Hauptcharakter inszeniert. In "Dahmer" wirkt der Protagonist wie ein Nebencharakter, keine Szene wird aus seiner Perspektive erzählt, sondern immer aus Sicht der Opfer, seiner Familie oder seinen Mitmenschen. Auch die brutale Ermordung der jungen Männer wird weitestgehend ausgeklammert, bei diesen Szenen geht die Storyline nicht in die Tiefe. Es war den Machern der Serie ein Anliegen, dass sie die Geschichte so respektvoll und gleichzeitig so authentisch wie möglich für die Opfer und deren Familien erzählen.

Liebhaber des "True Crime Genres" kommen aber im Rahmen dieser Serie trotzdem auf ihre Kosten. Regisseur und Drehbuchautor Ryan Murphy, der ebenfalls maßgeblich an der Umsetzung der Erfolgsserie "American Horror Story" beteiligt ist, holt sich mit Evan Peters einen alten Hasen ins Boot. Dieser gilt bereits seit vielen Jahren als Garant für eine gelungene Horror-Serie. In gewohnter Manier schlüpft Peters abermals in die Rolle eines berüchtigten Serienmörders. Der Amerikaner gehört seit Beginn zum Stammensemble der Kultserie "American Horror Story", in der er bereits die Rollen von Charles Manson, oder H. H. Holmes verkörperte. Mit der Porträtierung von Jeffrey Dahmer sorgt er auf den Fernsehbildschirmen ein weiteres Mal für Verwirrung, Entsetzung und Faszination. Um dieses Maß an Authentizität zu erreichen, musste der Hauptdarsteller selbst tief in die Welt von Jeffrey Dahmer eintauchen. Im Zuge dessen las er zahlreiche Biografien, sah sich Interviews an oder studierte die originalen Polizeiberichte inklusive Geständnis.

Der Serienmörder wurde 1991 verhaftet, zum damaligen Zeitpunkt hatte er bereits 17 Männer getötet
Der Serienmörder wurde 1991 verhaftet, zum damaligen Zeitpunkt hatte er bereits 17 Männer getötet © NETFLIX

Erfolgreichster Netflix-Einstieg seit "Squid Game"

Diese Anstrengungen wurden belohnt, kein anderer Netflix-Neustart wurde in der ersten Woche seit seiner Erscheinung so oft geschaut, über 196,2 Millionen Stunden wurde "Dahmer" gestreamt. Die Miniserie ließ den bisherigen Favoriten "Squid Game" hinter sich. Neben Evan Peters verbirgt sich ein weiteres bekanntes Gesicht im Cast, die 80er-Jahre Comedy-Queen Molly Ringwald ist als Dahmers Mutter Shari, die ihn als Teenager verlässt, zu sehen. Die Kultschauspielerin der 80er beweist im Rahmen der Serie, dass sie auch schwierigeren Rollen gewachsen ist.

Im Mittelpunkt der Serie steht zweifellos das Motiv des Verlassenwerdens, es zieht sich nicht nur durch das Leben von Jeff Dahmer, sondern auch durch die Storyline. Nach der Trennung der Eltern lassen ihn beide zurück, er ist monatelang auf sich gestellt und es kommt zu seinem ersten Mord. Für Dahmer wird das Motiv letztendlich zum Antrieb, jedes Mal, wenn er sich verlassen oder zurückgewiesen fühlt, kostet es einen jungen Mann das Leben. Auffällig ist auch das hohe Maß an Gesellschaftskritik, die geschickt in die Story eingeflochten wird. Von rassistischen und homophoben Polizisten bis hin zu Vorurteilen gegenüber der afroamerikanischen Bevölkerung, tragen viele Faktoren dazu bei, dass Jeffrey Dahmer so lange sein Unwesen treiben konnte.

True-Crime-Serien sind schon seit Jahren ein Erfolgsgarant für Streaming-Plattformen. Das Genre boomt derzeit und eine Dokumentation oder Serie über einen Mörder jagt die nächste. Aber "Dahmer" regt mit seinem problematischen Inhalt zu hitzigen Diskussionen an. Ein so ausführlicher Diskurs, wie er gerade bei der Dahmer-Serie stattfindet, hat es schon länger nicht mehr gegeben. Es gibt viele kritische Stimmen, vor allem die Angehörigen erheben massive Vorwürfe gegen die Macher der Serie. Durch die Veröffentlichung der Serie erlebt die Figur Jeffrey Dahmer nämlich wieder einen grausigen Aufschwung. Der Serienmörder wurde in der Popkultur bereits zu Lebzeiten vermehrt wahrgenommen und als Held inszeniert. Ihm wurden Biografien, Bücher und sogar Comics gewidmet. Seine Interviews auf Youtube haben Millionen von Aufrufen. Stars wie Kesha oder Katy Perry erwähnten den Serienmörder ebenfalls in ihren Songs.

Letztendlich bleibt neben einem bitteren Beigeschmack ein authentischer Einblick in die damaligen Geschehnisse, die nichts für schwache Nerven sind.

Bewertung: ★ ★ ★ ★ ☆ (4/5)

"Dahmer" zu sehen auf Netflix