Nach der Wahl ist vor der Wahl. Feier- oder Katerstimmung, je nach Lager, wird im ORF von der Dringlichkeit der nächsten Schritte verdrängt. Nach der Bestellung von Roland Weißmann als Generaldirektor stehen eine Reihe an Veränderungen und Entscheidungen an. Auch auf die Zuschauerinnen und Zuschauer kommen Änderungen zu.

Entpolitisierung. Aufmerksam wird verfolgt werden, welche Maßnahmen Weißmann setzt, um die Unabhängigkeit des ORF zu sichern. Dazu zählen neben Personal- auch Programmentscheidungen: Keine „Lebensretter“ mehr als Hauptabendshow, keine unkommentierten Livestreams von Jugend-Parteitagen, keine Kanzler-Sondersendungen, die den Eindruck von Willfährigkeit vermitteln könnten. Äquivalenz und Diversität müssen mehr als bloß Schlagworte sein.

Personal. Der multimediale Newsroom soll 2022 schrittweise in Betrieb genommen werden. Er vereint Radio, Fernsehen, orf.at und die ORF-Auftritte in sozialen Netzwerken wie Facebook. Alexander Wrabetz hatte vor der Wahl angekündigt, die zentralen Leitungsjobs noch selbst vor der Übergabe an seinen Nachfolger durchführen zu wollen. Gestern brachte er unter anderem Armin Wolf für eine Schlüsselposition ins Spiel.

Bundesländer. Mit der Entscheidung der Generaldirektion beginnt die Ausschreibung für die neun Landesdirektoren, die bis zum 16. September gefunden werden müssen. Vorgeschlagen werden sie von Weißmann, bestellt vom Stiftungsrat. Für den designierten ORF-Chef ist es die erste Möglichkeit, seinen Wahlslogan „jünger, weiblicher und diverser“ umzusetzen. Was in den Bundesländern für Freude sorgt: Der Neue kündigte an, „die Autonomie der Landesstudios auszubauen“.

Digitalisierung. Der Fernseher ist nur noch eines von vielen Geräten, um den ORF zu konsumieren. Die Struktur und Arbeitsweise im ORF wird diesem Medienwandel nicht gerecht. Weißmann kündigt plattformunabhängigeres Produzieren an, den nonlinearen Anker soll der ORF-Player bilden. Will Weißmann erfolgreich sein, muss dieser mehr als nur eine bessere TVthek sein.

Programmentgelt. Auch am sparsamen Umgang mit Ressourcen wird der neue ORF-Chef gemessen werden. Eine Gebührenerhöhung oder „Gebührenanpassung“, wie Weißmann es nennt, dürfte kommen. Damit steht auch eine neue GIS-Debatte bevor. Im Vorjahr nahm der ORF 645 Millionen durch Gebühren ein.