Da werden sie vor zwei Tagen in der Vorstandsetage bei Netflix ziemlich gelacht haben: David Benioff und D.B. Weiss, die vielfach ausgezeichneten Macher der HBO-Kultserie „Game of Thrones“ waren fix im Team eines „Star Wars“-Projekts. Ein Ritterschlag, keine Frage. Erstaunlicherweise können sie jetzt doch nicht, weil, äh, ja, weil ihr Terminkalender angeblich ein bisschen zu voll ist. Möglicherweise hängt die Absage auch damit zusammen, dass „Star Wars“ Teil des Disney-Universum ist, aber Benioff und Weiss erst unlängst einen Mega-Vertrag mit Netflix unterschrieben haben. Willkommen im Krieg der Streaminggiganten, der just in diesem Monat auf das ganz große Schlachtfeld wechselt: Morgen startet Apple seinen eigenen Streamingdienst, am 12. November folgt Disney. Gemeinsam nehmen sie vor allem einen Gegner ins Visier: Netflix.

Eine Marke, die wie keine andere nicht nur für Streaming generell, sondern auch für einen Paradigmenwechsel im Konsum von Bewegtbild steht. Auf der einen Seite die linearen TV-Stationen. Ihr Angebot: Wir geben das Programm vor, du konsumierst nach festgelegten Zeiten. Streaming ist das erträumte Wunderland von Generationen von TV-Konsumenten, die nur eines konnten: passiv zuschauen. Streaming hingegen macht den Konsumenten gleich zum Programmchef, der die Inhalte bestimmt – zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Die Serie "Stranger Things" ist eines der Zugpferde von Netflix
Die Serie "Stranger Things" ist eines der Zugpferde von Netflix © Netflix





Im Hintergrund hat jedoch ein Zauberlehrling namens Algorithmus die Regie übernommen. Inhaltliche Empfehlungen, die sich aus der eigenen Sehergewohnheit ableiten lassen, sind nur die sichtbaren Auswirkungen. Was im Hintergrund an Zahlen und Daten zum großen Schlachtenbild zusammengeführt wird, ist das große Geheimnis von Netflix. Fix ist: Der Zufall, der ist abgeschafft. Kritikpunkte gäbe es hier viele: Was Geld bringt, bleibt; Inhalte mit wenig Nutzerinteresse werden eingestellt. Wenn man hier einen Unterschied zu Arte finden möchte, das wäre einer: Masse bringt Kasse, nicht Klasse. Doch im harten Kampf um Abonnenten und Marktdominanz geht es darum, einen Fixplatz in so vielen Haushalten wie möglich zu haben. Das setzt auch den klassischen TV-Stationen massiv zu. Aus diesem Grund bezeichnete ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz kürzlich bei den Österreichischen Medientagen das anstehende Kräftemessen auch als „zweite Disruptionswelle“. Ähnlich lautend die Beschreibung von Netflix-Chef Reed Hastings gegenüber Variety: Für ihn hat nicht weniger als „eine neue Zeitrechnung“ begonnen.

Das "Star Wars"-Universum ist längst Teil von Disney
Das "Star Wars"-Universum ist längst Teil von Disney © Lucasfilm

Mit Spannung wird allen voran der Einstieg von Disney+ erwartet: Zunächst in den USA, Kanada und den Niederlanden stellt das Unterhaltungsimperium sein reiches Archiv Streamingnutzern zur Verfügung. Der Österreich-Start ist noch unklar. Konkreter sind die Wachstumspläne: Bis 2024 soll die Zahl der Abonnenten auf 60 bis 90 Millionen steigen. Ambitioniert auch die Vorgaben von HBO Max: Die Grenze der 50-Millionen-Abos soll 2025 übersprungen werden. Wild entschlossen, die bestehende Streamingordnung herauszufordern sind auch Dienste wie Comcasts Peacock oder die Kurzvideo-Plattform Quibi.
Was dem iPhone-Hersteller gegenüber Disney und Netflix im Portfolio fehlt, will Apple TV+ mit ausgewählten Einzelproduktionen wettmachen. Dafür wird in die wohl gefüllte Geldbörse gegriffen: Zwei Staffeln der Dramedy „The Morning Show“ mit Jennifer Aniston und Reese Witherspoon ließ man sich 300 Millionen Dollar kosten. Zum Vergleich: Der ORF hat für Film- und Serienprojekte jährlich 100 Millionen Euro zur Verfügung.



Wie reagiert Netflix auf die Konkurrenz? Zunächst selbstbewusst. Noch im Sommer wurden die Abopreise angehoben, die deutlich über jenen von Apple TV+ und Disney+ liegen. Und von unter den Erwartungen liegenden Wachstumsraten lässt man sich noch nicht verunsichern. Es ist ein Milliardenkarussell, eine Wette auf die Unterhaltungsgewohnheiten der Zuseher, die mit einer breiten Palette an Formaten versorgt werden. Nebst Blockbustern wie „Stranger Things“ spielt regionales und inhaltliches Nischenprogramm zunehmend eine Rolle. Für die Nutzer eine angenehme Situation: Nicht nur in Quantität und Qualität profitieren sie vom Konkurrenzkampf, auch finanziell verbietet die Marktsituation große Preissprünge nach oben. Ein Effekt: Netflix sitzt mittlerweile auf einem rund 20 Milliarden Dollar hohen Schuldenberg.

Die wichtigsten Streaminganbieter

Reed Hastings, Gründer von Netflix
Reed Hastings, Gründer von Netflix © (c) AP (Jacques Brinon)