Immer ein bisschen der Zerrissene, der Suchende, der Verzweifelte, diese Aura umgibt Egon Schiele seit jeher, abgeleitet von seinen berühmten Selbstbildnissen, die zwischen 1910 und 1913 entstanden sind. Gerade einmal zehn Schaffensjahre umfasst die Karriere des Künstlers, der 1918 an der Spanischen Grippe gestorben ist.
„Zeiten des Umbruchs“ im Leopold Museum fokussiert auf den künstlerischen Paradigmenwechsel, den das Werk Schieles nach 1914 ereilt. Zwei Ereignisse geben die Stoßrichtung vor: Schiele heiratet Edith Harms und der Erste Weltkrieg macht auch ihn zum Soldaten. Diese biografischen Einschnitte verändern das Œuvre: Sein Expressionismus schwächt sich zum Teil deutlich ab, die Linienführung wird ruhiger, die Porträts realistischer. Letzteres mag auch damit zu tun haben, dass der Künstler mehr und mehr Aufträge für Porträts bekommt.
In neun Kapiteln arbeiten die Kuratorinnen Kerstin Jesse und Jane Kallir diese Transformation heraus – auch die Komplexität der Beziehung zwischen Egon Schiele und Edith wird so sichtbar. Zu lesen ist ihr Tagebuch, das sie auch als „Trostbuch“ bezeichnet: Die Einsamkeit als ihr beständiger Begleiter. Die ist auch aus den Paarbildern herauszulesen:
Auch seine Frauenakte verändern sich: Mehr Distanz, weniger Emotion und Beschäftigung mit der Sexualität, dafür mehr Voyeurismus. Umso spannender ist die Frage, wie sich Schieles Kunst weiterentwickelt hätte: Spektakulär und perfekt zum Spekulieren ist dahingehend „Bildnis des Malers Albert Paris von Gütersloh“ (1918), opulent, dramatisch, dynamisch. Und ein seltener Besuch, das Bild ist aus Minneapolis angereist.