Musik und Graz und Stolz? Dabei kann es sich doch nur um Robert drehen, den König der leichten Muse, dessen ganze Welt himmelblau war, bis die braunen Horden kamen. Aber nein, so einfach ist das nicht. Erstens gab es ja den ebenfalls komponierenden und dirigierenden älteren Bruder Leopold. Und zweitens sogen beide die Musik mit der Vatermilch auf.

Jakob Stolz hatte mit der Pianistin Ida Stolz neben den zwei von klein auf talentierten Buben weitere elf Kinder. Und noch unzählige andere Schützlinge dazu, die er ab 1857 in die Zauberwelt des Singens und Musizierens führte. Nämlich als Inhaber einer Musikschule, zunächst im heutigen Amtshaus in der Schmiedgasse und dann im Familienwohnhaus am Mehlplatz – im Palais Inzaghi, in dem Bruckner, Brahms, Strauß oder Verdi verkehrten und das ab 1990 kurzzeitig und mit unrühmlichem Ende zum Robert-Stolz-Museum werden sollte.

Jakob Stolz war aber nicht nur ein maßgeblicher Lehrer für Generationen, „sondern die zentrale Figur im steirischen Musikleben des 19. Jahrhunderts und einer der produktivsten Komponisten des Landes, zudem wies er mit mehr als 60 Jahren als Solist und Kammermusiker am Klavier eine unvergleichlich lange Konzertkarriere auf“, sagt Clemens Anton Klug. Der 44-jährige Künstlermanager muss es wissen, hat er doch an der Kunstuniversität Graz seine Dissertation über jenen Mann verfasst, der laut Nachruf im Juni 1919 in der Kleinen Zeitung in seinem Künstlerleben „so reiche Arbeitsfrüchte hinterließ, dass der Name Jakob Stolz unvergessen bleiben wird.“

Die Dissertation des Musikwissenschaftlers Clemens Anton Klug ist quasi ein „Erinnerungsbuch“ über einen Vergessenen
Die Dissertation des Musikwissenschaftlers Clemens Anton Klug ist quasi ein „Erinnerungsbuch“ über einen Vergessenen © KK


Dem war jedoch leider gar nicht so, denn das Ansehen des leidenschaftlichen Pädagogen, Pianisten, Musiktheoretikers, Dirigenten im Theater, Organisten im Dom und Komponisten von rund 100 Werken für Klavier, Kammer-, Kirchen- und Unterhaltungsmusik glitt nach seinem Tod bald ins Abseits und sollte auch durch die vielgestaltige Beschäftigung mit seinem berühmten Sohn Robert Stolz bestenfalls anekdotisch wiederbelebt werden.

Der Ausnahmemusiker im Alter von etwa 75 Jahren
Der Ausnahmemusiker im Alter von etwa 75 Jahren © Joanneum/KK


Erst die Landesausstellung „Musik in der Steiermark“ 1980 im Stift Admont erinnerte wieder ein wenig an die so bescheidene wie prägende Musikgestalt, „aber Jakob Stolz war de facto vollkommen in Vergessenheit geraten, bis ich mich ab dem Jahr 2000 mit ihm zu beschäftigen begann“, sagt Musikwissenschaftler Klug, dessen Doktorarbeit Ende Juni bei Metzler im Axel-Springer-Verlag auch in Buchform erscheint.

Dem Autor ist es jedenfalls „ein wirklich großes Anliegen, an diesen bedeutenden Musiker und Menschen zu erinnern“, und dass vom vergessenen, verlorenen Sohn der Stadt mehr bleibt als jene schlichte Gedenktafel auf dem Schlossberg, wo Jakob Stolz einst sein geliebtes „Sonnenplätzchen“ hatte.

Seit 1956 erinnert eine Tafel auf dem Grazer Schloßberg nahe dem Starcke-Häuschen an Stolz
Seit 1956 erinnert eine Tafel auf dem Grazer Schloßberg nahe dem Starcke-Häuschen an Stolz © KK