Oben an der Spitze ist es einsam und die Krone wiegt schwer. Es sind solcherlei Gemeinplätze über die tragische Isolation von Herrscherfiguren, die Regisseur Sam Brown in den Mittelpunkt seiner Inszenierung von Mozarts „La Clemenza di Tito“ stellt: Der „Vater des Vaterlandes“ als ein von der Verantwortung überforderter Kaiser, der von allen Freunden verlassen und verraten wird. Diesen Aspekt der Mozart-Oper verdeutlicht Brown, abgesehen davon macht sich aber eine szenische Tristesse breit, als ob es darum ginge, das hartnäckige Fehlurteil zu belegen, „Titus“ tauge dramatisch wenig.

Das antike Intrigenspiel findet in einem dunklen Spiegelkabinett statt, dessen Neonröhren eine Art Gefängnis abgeben. Die Regie dürfte die Sänger ihrem darstellerisch Geschick überlassen haben, so unterschiedlich zeigt sich das Ensemble, das aber stimmlich in durchwegs ansprechender Verfassung ist. Das Theater an der Wien geht dabei das nicht geringe Wagnis ein, die beiden römischen Edelleute Sesto und Annio von Männern verkörpern zu lassen. Vor allem der innerlich zerrissene Verräter Sesto, den der Komponist musikalisch ins Zentrum stellte, ist eine Paraderolle für jeden Mozart-Mezzo. Nach blassem Beginn findet der Countertenor David Hansen trotz einiger Probleme mit den extremen Lagen im Lauf des Abends zu seiner Rolle und kleidet sie mit schön dosiertem Vibrato aus. Der lyrisch gerundete, androgyne Counter von Kangmin Justin Kim sticht ihn als Annio allerdings aus.

In Sachen Klangsinnlichkeit müssen sich die beiden Herren aber ohnehin ihren weiblichen Kolleginnen geschlagen geben. Mari Eriksmoen ist eine exzellte Servilia, während dieTragödin Nicole Chevalier die Vitellia mit einem Furor singt, der der inneren Aufgewühltheit von Mozarts Musik am ehesten entspricht. Nobel und schlank ist der Tenor von Jeremy Ovenden, was dem zagenden, zaudernden, von Skrupeln zerfressenen Kaiser ganz gut ansteht.

Der Concentus Musicus Wien unter Stefan Gottfried vermeidet allzu Extremes, bietet organisches Musizieren im prägnant gemaserten Originalklang, der von manch edler Holzbläserfarbe durchzogen ist. Damit könnte man leben, würde das Inzenierungs-Imitat Sam Browns den Theaterabend nicht kompromittieren Nach dem „Rusalka“-Debakel muss man leider von einem Fehlstart in die Saison an der Wien sprechen.