Die Nasen wurden im Vorfeld gerümpft und hoch getragen, als bekannt wurde, dass er in der legendären Mailänder Scala auftreten werde: Paolo Conte im historischen Opernhaus – kann, darf das sein?
Musikjournalist Piero Maranghi etwa erdreistete sich, an den 86-jährigen Musiker mit dem Knautschgesicht einen in der Zeitung "Il Foglio" veröffentlichten Brief zu schicken. Darin schwadroniert der Theoretiker von einer "Ohrfeige für die Geschichte der Scala" und einem "sehr gefährlichen Präzedenzfall". Derlei Einwände und Anwürfe waren ab dem Erscheinen Contes auf der Bühne wie weggeblasen, sein Auftritt wurde durchwegs umjubelt. Mit den Worten "Ich bin gekommen, um zu spielen, zu lieben und heimlich zu tanzen" und vor allem seinen canzoni verzauberte er die Ränge.
Wenn ein Künstler der leichteren, aber bis in den Vierteltakt stilvollen Muse auch in der Scala gut aufgehoben ist, dann der frühere Advokat aus dem Piemont: Mit "Azzurro" schrieb er für Adriano Celentano einst einen Hit, seine Lieder sind zum Gutteil unumstößlich. Spricht man von "Cantautore" – also italienischen Liedermachern –, ist Conte in einem Atemzug mit Fabrizio De André, Francesco De Gregori, Lucio Dalla, Ivano Fossati, Edoardo Bennato oder Antonello Venditti zu nennen.
Die Musik, die der Kauz seit Jahrzehnten kredenzt, ist freilich eine eigentümliche, die gar nicht jedem gefallen will: ein eleganter Cocktail aus Jazz und Chanson, oft mit lateinamerikanischen Rhythmen (Rumba! Milonga! Tango!) unterlegt. Sofort sitzt man in Gedanken in einer abgedunkelten Bar, stellt sich bildlich vor, wie Conte dort – mit einer handverlesenen Band hinter sich – am Klavier sitzt und dazu seine durchgegerbte Stimme reicht.
Contes Texte sind von bittersüßer Erinnerung und Sehnsucht beherrscht, so singt der mürrische Meister der Melancholie: "Unter den Sternen des Jazz, aber so viel der Nacht ist vergangen. Marisa, weck' mich, umarm' mich, es war ein eindrucksvoller Traum."
Umstrittener Auftritt
Paolo Conte durfte als Erster "leichte Muse" in der Scala präsentieren
