Am Anfang stand ein Problem, könnte man bei Elisabeth Gschiel sagen. Zehn Jahre später hat seine Lösung ein stattliches Œuvre geschaffen. Geometrische Landschaften aus Plastikmüll – doch wie die Einzelteile miteinander verbinden? Nähen! Klingt einfach, ist aber eine Herausforderung, die Teil ihres Schaffensprozesses ist. Die Auseinandersetzung mit Materialien, die immer auf ein zartes Band treffen: einen Faden. Wobei dieser Faden längst vom Bindeglied zwischen den Materialien zum Hauptdarsteller mutiert ist: „Ich zeichne mit der Nähmaschine“, bringt es die gebürtige Oststeirerin auf den Punkt, der wiederum Ausgang für ihre Leidenschaft ist: die Linie.

In ihrem zehnjährigen Schaffensprozess, der seinen Ausgang noch im „alten Schaumbad“ in der Starhemberggasse nahm, hat sich diese Linie in vielfacher Ausprägung gezeigt: etwa als Hochspannungsleitungen oder Baukräne, die, von losen Fadenenden umspielt, jegliche Starrheit verlieren. „Es sind gesehene Bilder, die Stück für Stück zu einer Idee wachsen“, beschreibt sie ihren Ansatz, der sich sichtbar durch ihre Personale zieht: Das können Plastik-Wasserflaschen sein, die zusammengenäht zur Weltkarte werden. Oder eine Glockenblume, die ihr beim Vorbeigehen ins Auge springt. Die sie im Originalmaßstab auf eine weiße Leinwand näht – die wiederum auch aus einzelnen Fäden und somit Linien besteht.

Elisabeth Gschiel an ihrer Nähmaschine
Elisabeth Gschiel an ihrer Nähmaschine © Susanne Rakowitz


Dass einzelne Linien ein Horizont, ein Meer und mehr noch, ganze Geschichten erzählen können, zeigt sie mit ihrem Buch „Manifest“. Elisabeth Gschiel erschafft Stich für Stich kleine und große Welten, die einmal romantisch, einmal verspielt, aber auch hochaktuell und politisch sein können: „Invisible“ steht auf einem weißen Blatt Papier. Ohne Faden, nur von der Nadel gezeichnet: unsichtbar, so wie das Virus, das uns wie eine unsichtbare Trennlinie vom Leben abschneidet.

Elisabeth Gschiel, „Der rote Faden“, Schaumbad Graz, bis 5. Juni 2021. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag von 13 bis 17 Uhr.
schaumbad.mur.at