Schwere Scheren, die durch dickes Leder schneiden. Ein vier Kilogramm schweres Bügeleisen, das die Nähte glättet. Nadeln, die mit sicherer Hand durch das widerstandsfähige Material geführt werden. Feine Stickereien, die aus einer schlichten Lederhose ein kunstvolles Einzelstück machen. Die Werkstatt eines Säcklers ist kein Ort für hastige Arbeit – hier regieren Geduld, Präzision und jahrhundertealte Techniken. Doch dieses traditionsreiche Handwerk steht heute an einem Wendepunkt. In Oberkärnten gibt es nur noch zwei Säcklermeister, beide haben heuer ein Jubiläum zu feiern: Margit Leeb und Michael Unterlerchner, der sich noch dieses Jahr in den Ruhestand verabschieden wird.
In Muskanitzen bei Seeboden hat Leeb ihr „Hobby zum Beruf gemacht“ und führt eine der letzten Säcklereien in Kärnten – ein Handwerk, das es in dieser Form kaum noch gibt. Die Säcklerei, die ihre Wurzeln im Mittelalter hat, umfasst die Verarbeitung von Leder zu hochwertigen Kleidungsstücken, vor allem Trachtenhosen und Jacken. „Es ist ein Beruf, den nur noch wenige ausüben“, sagt die Säcklermeisterin, „aber ich glaube nicht, dass er ganz verschwinden wird. Es kommen immer wieder ein paar Junge nach.“ Seit 30 Jahren ist sie in diesem Beruf, den sie von Grund auf gelernt hat, selbstständig. „Ich habe 1984 eine dreijährige Lehre begonnen und im Anschluss die Meisterprüfung absolviert. 1995 habe ich mich selbstständig gemacht.“
Durch Zufall Säcklerin
Ihr Vater war Schuhmacher, hatte zu Hause eine eigene Lederwerkstatt und hat für sie und ihre Geschwister immer wieder Röcke aus den Lederresten genäht. „Damals dachte ich noch nicht daran, später einmal in der Säcklerei tätig zu sein. Meine Mutter meldete mich zum Schnuppern bei einem Betrieb, durch Zufall suchten sie gerade einen Lehrling“, so Leeb weiter. Sie probierte es aus und merkte schnell, dass ihr die Arbeit mit Leder liegt: „Das hat mir gleich gefallen, weil es doch etwas ganz anderes ist. Das kann man mit der Schneiderei nicht vergleichen. Einfach eine andere Verarbeitung.“ Ihr Weg führte sie über Innsbruck, Salzburg und Wien schließlich nach Muskanitzen, wo sie heute ihre eigene Werkstatt betreibt.
Leeb arbeitet ausschließlich auf Maßanfertigung: „80 Prozent sind die klassischen Altausseer Lederhosen mit den Knöpfen auf der Seite und den traditionellen Stickereien.“ Doch Standardmotive sind bei ihr die Ausnahme: Ihre Kunden bekommen individuell gestaltete Stücke, auf denen sich ihre Persönlichkeit widerspiegelt. „Wenn jemand ein Schafzüchter ist, sticke ich ihm ein Schaf auf die Hose. Ein Imker bekommt eine Biene, ein Jäger sein Lieblingsmotiv“, erklärt sie. Gemeindewappen, Familienwappen, Initialen, Sternzeichen – der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt.
Langlebige Unikate
Dieses hohe Maß an Individualität hebt sie von der Massenproduktion ab. „Natürlich ist eine Maßhose teurer als eine von der Stange, aber dafür bekommt der Kunde ein hochwertiges, langlebiges Unikat“, sagt sie. „Und wenn sie dann ihre fertige Hose sehen, sehe ich oft, wie die Leute strahlen – das macht für mich den Beruf so schön.“ Trotz der langen Wartezeiten – sechs bis acht Monate – ist ihre Auftragslage stabil. „Ich bin das ganze Jahr über gut beschäftigt. Im Winter ist es ruhiger, aber ab dem Frühjahr, besonders rund um Ostern, nimmt die Nachfrage stark zu.“ Ihre Kunden kommen nicht nur aus Kärnten, sondern aus ganz Österreich – viele durch Mundpropaganda.
Ihre Materialien bezieht sie größtenteils aus der Region: „Es ist mir wichtig, dass die Qualität stimmt.“ Ein großer Vorteil ihres Berufs ist die Vereinbarkeit mit der Familie. „Ich arbeite in meiner eigenen Werkstatt beim Haus, nur nach Terminvereinbarung. Diese Flexibilität ist für mich perfekt. Ich beobachte, dass immer mehr Frauen den Meister und sich danach selbstständig machen. Viele haben keinen Familienbetrieb übernommen, wie es früher üblich war, sondern den Beruf selbst gewählt.“
100 Jahre Handwerkskunst
Leeb ist nicht die einzige Säcklermeisterin in Oberkärnten – doch bald wird sie die letzte sein. Ihr Kollege Michael Unterlerchner aus Kötzing, nur wenige Kilometer von Leeb entfernt, geht im Sommer in Pension und stellt sein Unternehmen ruhend. Damit verschwindet eine weitere Werkstatt, die dieses seltene Handwerk am Leben erhalten hat. Sein Familienbetrieb wurde 1925 gegründet und hat sich über die Jahrzehnte einen Namen für maßgeschneiderte Lederbekleidung gemacht. Unterlerchner, auch bekannt als „Ledermichl“, spezialisierte sich neben Maßanfertigungen auch auf Jagdbekleidung und nostalgische Motorradkleidung. „Die Fertigung einer Lederhose beginnt mit der Auswahl des richtigen Leders. Besonders gefragt ist Hirschleder. Nach dem Zuschneiden der Lederstücke folgt die Verzierung – ein Prozess, der Erfahrung und viel Geduld erfordert“, erzählt der Säcklermeister.
Seit drei Generationen fertigt seine Familie Lederhosen für Volkstanzgruppen, Landjugend-Gruppen und Trachtenvereine. Besonders zu Hochzeiten greifen viele Kunden auf die Maßanfertigungen zurück – nicht nur wegen der Tradition, sondern auch, weil eine handgemachte Lederhose ein Leben lang hält. „Es ist einfach eine schöne Abwechslung, dass man aus einer tierischen Haut wunderschöne Bekleidung mit Handstickereien machen kann“, beschreibt Unterlerchner die Faszination seines Berufs. Trotz der langen Geschichte und der treuen Kundschaft gibt es für das Unternehmen keinen direkten Nachfolger. „Bei mir wird der Betrieb einmal ruhend gestellt, dann schauen wir weiter.“ Ob das Säcklerhandwerk aussterben wird? „Das ist schwer zu sagen.“
Geduld und Präzision
Wichtig für den Beruf sei jedenfalls eine gewisse Kreativität, handwerkliches Geschick und die Liebe zum Material. „Auch der Umgang mit den Kunden ist wichtig, man lernt sich mit der Zeit die notwendige Schneidertechnik und ein Augenmaß an, denn jede Person hat eine andere Figur“, erzählt Unterlerchner. Und Leeb ergänzt: „Leder ist ein schweres Material, das verlangt Kraft. Das Bügeleisen hat vier Kilo, die Scheren sind groß und schwer. Aber alles ist erlernbar. Geduld, Kreativität und ein Feingefühl für Stickereien sind genauso wichtig.“
Bis zur offiziellen Ruhestellung nimmt der „Ledermichl“ keine größeren Aufträge mehr an, sondern erledigt seine laufenden Aufträge. „Ich habe noch Arbeit, dann sieht man eh weiter, was sich in der Pension noch ergibt.“ Mit seiner Pensionierung endet in Seeboden eine Ära – doch die Spuren der jahrzehntelangen Handwerkskunst bleiben in unzähligen Lederhosen erhalten.
Auch wenn Leeb vorerst die letzte ihrer Zunft in Oberkärnten bleiben wird, ist sie überzeugt, dass das Handwerk nicht aussterben wird: „Wir brauchen Nachwuchs, aber es ist ein Beruf, der viel Geduld erfordert.“ Ob Lederhose oder Trachtenjacke – jedes Stück erzählt eine Geschichte. Und solange es Menschen gibt, die diese Geschichten tragen wollen, wird die Kunst der Säcklerei weiterleben.