Schon bei der Anreise zum Weißensee wird klar: Die Niederländer haben den „Spielplatz der Natur“ fest in ihrer Hand. Autos und Busse mit niederländischen Kennzeichen säumen die Straßen, niederländische Flaggen schmücken Balkone und Rennanzüge trocknen in der klaren Luft. Auch in den Hotels zeigt sich die typisch niederländische Kultur: Teppiche voller Schuhe im Eingangsbereich zeugen von der Gewohnheit, sich drinnen schuhlos zu bewegen – im ganzen Haus, versteht sich.
Zum 35. Mal findet hier die Alternative Elf-Städte-Tour (Elfstedentocht) statt. Für Bürgermeisterin Karoline Turnschek ist das 14-tägige Spektakel die „fünfte Jahreszeit“ am Weißensee, und Landtagspräsident Reinhart Rohr nennt die Region treffend die „13. Provinz der Niederlande“. Nach der ersten Tour am Dienstag sowie einem Ruhetag am Mittwoch starteten die ersten offiziellen Wettkämpfe der Spitzensportlerinnen und Spitzensportler am Weißensee am vergangenen Donnerstag. Rund 230 Profis, die in den Niederlanden gefeierte Sportstars sind – vergleichbar mit Österreichs Ski-Weltcupgrößen – nahmen daran teil. So kann man sich auch die Vorbereitung auf die Wettkämpfe vorstellen. „Die Teams mieten oft ganze Etagen in Häusern, reisen mit Trainern, Betreuern, Masseuren sowie Physiologen an“, erklärt Thomas Michor, Tourismusbüroleiter der Region Weißensee.
Geschwindigkeit und Präzision
Der Tag begann um 8 Uhr mit den Offenen Niederländischen Meisterschaften (ONK) Masters über 60 Kilometer, bei dem René Ruitenberg und Daniëlle Bekkering als Sieger hervorgingen. Danach war es Zeit für das Aart Koopmans Memorial, ein Gedenkrennen für den einstigen Elf-Städtetour-Organisationschef, bei dem sowohl Frauen als auch Männer gegeneinander antraten. Bei den Damen fiel der Startschuss um 10.30 Uhr, bei den Herren um 13 Uhr. Beim Rennen selbst laufen die Spitzensportler bis zu 60 Kilometer die Stunde, eine Runde beträgt 12,5 Kilometer.
Begleitet von Quads und Autos auf der Strecke, der Jury im Start- und Zielbereich, mehreren Personen zur Streckenaufsicht – damit kein Zuschauer oder Eisläufer den Profis im Weg ist – sowie ihren treuen Fans am Streckenrand, gehen die Rennen über die Bühne. Kamera-Teams nehmen alles auf und bringen die Stimmung am Weißensee in das niederländische Fernsehen. Zuschauer bewegen sich frei entlang der Strecke – mit Vorsicht, um die Profis nicht zu behindern.
Profi-Wettkampf-Atmosphäre am Weißensee
Spätestens wenn die Glocke der Jury die „laatste ronde“ einläutet, kochen die Emotionen. Fans feuern ihre Favoriten an, und die Spannung auf der Zielgeraden erreicht ihren Höhepunkt. Einmal mehr sammeln die Eisschnellläufer ihre Kräfte. Bei den Damen triumphierte Femke Mossinkoff souverän auf der 60-Kilometer-Strecke, während Sjoerd den Hertog das 80-Kilometer-Rennen der Herren gewann. „Das Eis war heute sehr schnell, das machte den Bewerb spannender. Überhaupt war die Stimmung während des Rennens großartig“, resümierte Mossinkoff, die das Ziel nach rund einer Stunde und 47 Minuten durchquerte. Den Hertog hat nach zwei Stunden und 20 Minuten den Bewerb beendet: „Ich nehme hier gerne an den Wettbewerben teil, es ist immer wieder schön hier zu sein. Das ist meine 13. Teilnahme am Weißensee.“
Beide überquerten die Ziellinie allein und tragen als nun Führende stolz das orange Trikot, das Pendant zum roten Trikot im Skilanglauf-Weltcup. Die Siegerehrung fand direkt im Anschluss an das Herrenrennen bei einer extra für die Alternative Elf-Städte-Tour aufgebaute Brücke, die an niederländische Vorbilder erinnert, statt. Tessa Snoek ist die Titelverteidigerin der Alternativen Elf-Städte-Tour, beim diesjährigen Aart Koopmans Memorial Wettbewerb wurde sie Dritte: „Im vergangenen Jahr war das hier mein größter und erster Sieg überhaupt. Für mich hat der Weißensee also eine besondere Bedeutung.“ Sie nimmt bereits zum siebenten Mal am Weißensee teil.
Wetter bringt Änderungen
Am Freitag folgte die zweite Tour mit 1100 Teilnehmern, die mit Stirnlampen und voller Ausrüstung die Strecken über 100 beziehungsweise 200 Kilometer zurücklegten. Weitere Programmpunkte folgen noch bis 31. Jänner. Wetterbedingt gab es kurzfristig Änderungen im Programm. In der kommenden Woche wird es dann für die Profis noch einmal ernst: Die Alternative Elf-Städte-Tour Profis für die Damen und die Herren geht über die Bühne. In beiden Bewerben wartet eine Strecke über 200 Kilometer auf die Teilnehmer. Der gesamte Bewerb wird live im niederländischen Fernsehen übertragen. „Die Wettbewerbe verlaufen alle fair und es herrscht allgemein eine tolle Atmosphäre. Für mich ist es jedes Jahr aufs Neue eine wunderschöne Veranstaltung“, sagt Rennleiter Hendrik-Jan Van Den Bogaart.
Die Organisation ist eine internationale Gemeinschaftsleistung: Der niederländische Veranstalter Stichting Wintersporten, der Königliche Verein KNSB, die Gemeinde Weißensee und das Event-Team „Limited Events“ sorgen für eine perfekte Mischung aus Spitzensport, Breitensport und Abendunterhaltung im Partyzelt. „Das Besondere an der Tour ist wohl die Verbindung zwischen Spitzensport und Breitensport, das macht die Elf-Städte-Tour aus. Ich kenne keine vergleichbare Sportveranstaltung, die beides kombiniert. Touristisch gesehen lebt die Region von den Volks-Eisschnellläufern, an einer Tour gehen mehr als 1100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Start. Doch auch die Profis bringen ihre Fanclubs mit“, betont Michor.