Nein, es ist keine normale Zugfahrt. "Historisch", "magisch" und "Meilenstein" sind Begriffe, die einem in den Sinn kommen. Oder von den Passagieren verwendet werden. Es sind auch keine gewöhnlichen Passagiere, die in St. Paul im Lavanttal Montagmittag die S-Bahn besteigen.

Die Landeshauptleute aus Kärnten und der Steiermark, Peter Kaiser (SPÖ) und Christopher Drexler (ÖVP) sind an Bord, die Verkehrslandesräte Sebastian Schuschnig (ÖVP) und Anton Lang (SPÖ), Vertreter der ÖBB und viele, viele Journalisten. Es ist weiters nicht alltäglich, dass man beim Zugfahren eine Sicherheitsweste tragen und einen Zettel unterschreiben muss, wonach man alle Sicherheitsvorschriften einhalten werde, wenn man mitten im Tunnel aussteigt. Letzteres ist freilich auch nicht Usus.

Nein, es ist einfach kein normaler Tag, sondern ein Feiertag für die Steiermark und Kärnten, denn die erste Fahrt mit Passagieren durch den Koralmtunnel wird absolviert. "Bisher haben nur Transportfahrten stattgefunden", versichert Karin Scheer, bei den ÖBB für die Tunnelsicherheit zuständig.

Gemächlich setzt sich der Zug auf Gleis eins in der Südröhre in Bewegung. Angetrieben wird er von einer Diesellok, denn Oberleitungen gibt es im Tunnel noch keine. "Signaltechnik, Tunneltechnik, Handläufe und Klimatisierung müssen noch eingebaut werden", erklärt Projektleiter Klaus Schneider, der das Vorhaben Koralmbahn seit 25 Jahren begleitet. Daher muss der Zug auch teils mit Schrittgeschwindigkeit, teils mit 30 oder 40 km/h durch den Tunnel schleichen – ÖBB-Arbeiter filmen den Moment mit Handys.

Und die Politiker kommen aus dem Schwärmen nicht heraus. "Damals, als das Projekt begann, hatte es ja fast einen Science-Fiction-Charakter", meint Drexler. "Ich bin mir der Geschichtsmächtigkeit dieses Moments bewusst. Wir bringen zwei Regionen zusammen", so Kaiser. Lang und Schuschnig betonen unisono, dass die politische Halbwertszeit eines Politikers gewöhnlich kurz und es daher besonders sei, so einen Moment mitzuerleben.

Die Fahrt durch den Tunnel mit bis zu 250 km/h wird – wenn die Röhre im Dezember 2025 zum Allgemeinverkehr freigegeben wird – acht Minuten dauern. Bei der Premiere dauert sie fast zwei Stunden in eine Richtung. Auch weil der steirische Lokführer, Jürgen Bruckschwaiger, mitten im Tunnel einen Stopp einlegt. Beim sogenannten Querschlag 33 (von insgesamt 70), einem 970 Meter langen Notbahnhof und Fluchtweg, wo Passagiere im Krisenfall über die zweite Röhre evakuiert werden können. Die heilige Barbara steht dort, Schutzpatronin der Tunnelbauer.

Diesmal schützt sie alle, die die Premierenfahrt zum Bahnhof Weststeiermark und retour miterleben. Und die Worte von ÖBB-Vorständin Judith Engel mit auf den Heimweg nahmen: "In zweieinhalb Jahren reisen wir in 45 Minuten von Graz nach Klagenfurt. Damit hängen wir das Auto sprichwörtlich ab und schaffen Mobilität der Zukunft."