Slavko Aleksić ist vergangene Woche, 69-jährig verstorben. Er war im Bosnienkrieg der Kommandant - „Vojvoda“, Herzog, Herr oder Kriegsführer - einer Tschetnik-Einheit der bosnisch-serbischen Armee, die Sarajevo von 1992 bis 1995 belagerte. Die „Četnici“ sind eine extrem nationalistische, monarchistisch geprägte serbisch-orthodoxe paramilitärische Organisation, die im 19. Jahrhundert entstand, um mit Guerillakriegstaktiken die damalige osmanische Herrschaft zu stürzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bewegung in Jugoslawien verboten.

Mit dem Zerfall des kommunistischen Vielvölkerstaates kehrten die nationalistischen Tschetniks Anfang der 1990er zurück. Kriegsverbrechen gegen die kroatische und muslimische Zivilbevölkerung in den folgenden gehen auf ihr Konto. Ihr Anführer und Gründer der ultranationalistischen „Srpska radikalna stranka“ (SRS) Partei, der „Četnik-Vojvoda“ Vojislav Šešelj, wurde vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.  

„Sarajevo Safaris“

Slavko Aleksić
Slavko Aleksić © Screenshot X

Aleksić war mit seiner Tschetnik-Truppe im Bosnienkrieg am jüdischen Friedhof auf einer Anhöhe über Sarajevo stationiert, von wo sie die Stadt und ihre Einwohner beschoss. Sein Name tauchte zuletzt immer wieder im Zusammenhang mit den in Italien aufgenommenen Ermittlungen wegen angeblicher Menschenjagden auf Zivilisten durch Sniper-Touristen auf. Reiche Männer aus Italien, Deutschland, den USA, Kanada und Russland sollen sogenannte „Sarajevo Safaris“ gebucht haben und dann, etwa vom jüdischen Friedhof, geschossen haben. 100.000 Dollar sollen für den Abschuss eines Menschen gezahlt worden sein.

Thematisiert wurden die „Sarajevo Safaris“ bereits 2022 in einem Dokumentarfilm des slowenischen Filmemachers Miran Zupanič. Die aktuellen Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft brachte der Autor Ezio Gavazzeni ins Rollen. Er will bei seinen Recherchen, angestoßen durch den Dokumentarfilm, zahlreiche Täter namentlich identifiziert haben und brachte im Oktober in Mailand eine Anzeige ein. In weiterer Folge zeigte der kroatische Investigativ-Journalist Domagoj Margetić den serbischen Präsidenten bei den Mailänder Ermittlern an, er wirft Aleksandar Vučić eine Beteiligung an den „Sarajevo Safaris“ vor.

Im Militärkrankenhaus verstorben

Der unerwartete Tod Slavko Aleksićs am 18. Dezember beschäftigte auch deshalb internationale Medien. Ein Hauptzeuge der Ermittlungen um die „Sarajevo Safaris“ sei für immer verstummt, postulierte die renommierte britische Zeitung „The Times“. Der serbische Anwalt und ehemalige Vorsitzende der „Demohrišćanska Stranka Srbije“-Partei (Christlich Demokratische Partei Serbiens - DHSS), Čedomir Stojković, erhob in einem Interview und in einem Posting auf der Plattform „X“ schwere Vorwürfe im Zusammenhang mit dem plötzlichen Ableben von Slavko Aleksić.

Laut Stojković sei es plausibel zu glauben, dass Aleksić vom serbischen Geheimdienst eliminiert wurde. Er habe noch am 29. November dem regierungsfreundlichen serbischen Sender „Informer“ ein Interview gegeben, dort sei er bei bester Gesundheit gewesen, sagt Stojković. Kurz vor seinem Tod sei er in Belgrad vor dem Hauptquartier des serbischen Geheimdienstes (BIA - Bezbednosno-informativna agencija), gesehen worden. Stojković glaubt, dass er dort psychologischen Tests unterzogen wurde, die Klarheit darüber bringen sollten, ob Aleksić zur Gefahr werde, weil er versehentlich kompromittierende Informationen preisgeben könnte. Im Anschluss sei er ins gegenüberliegende Militärkrankenhaus gebracht worden, wo er starb.

Parteifreunde

Konkrete Beweise für diese Vermutung liegen nicht vor. Es ist auch nicht bekannt, ob Aleksić in irgendeiner Form Teil der Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft war. Belegt ist, dass Slavko Aleksić und Aleksandar Vučić sich gut kannten. Beide waren Mitglieder der SRS. Vučić war Generalsekretär und Aleksić ein führender „Četnik-Vojvoda“ der Partei. Die Partei soll während der Jugoslawienkriege den Transport freiwilliger Soldaten aus Serbien an die Kriegsschauplätze in Kroatien und Bosnien organisiert haben.

Edin Subašić, damals Analytiker des bosniakischen Militärgeheimdienstes, erzählt in der Doku „Sarajevo Safari“ von einem Vernehmungsprotokoll eines gefangengenommenen serbischen Soldaten. Dieser habe bei einem dieser Transporte fünf italienische Kriegstouristen getroffen, die ihm erzählt hätten, dass sie einen Abschuss in Sarajevo gebucht hätten. Der Bericht von Subašić soll 1994 an den italienischen Militärgeheimdienst weitergeleitet worden sein. Die Archivaufzeichnungen des Geheimdienstes darüber, sollen Teil der aktuellen Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft sein.

Vučić in Sarajevo

In früheren Aussagen gab der serbische Präsident sogar an, in der Einheit von Aleksić gedient zu haben. Diese Behauptung bezeichnete der Tschetnik-Herzog in Interviews immer wieder als unwahr, auch 2015 gegenüber der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“: „Er (Vučić) war damals ein junger Student und hat Interviews gemacht, unter anderem auch auf dem jüdischen Friedhof in Sarajevo.“ Vučić habe nie geschossen, hatte kein Gewehr und keine Uniform, versicherte Aleksić bis zuletzt, auch die Existenz der „Sarajevo Safaris“ tat der Tschetnik-Kommandant stets als absurd ab. Die Anschuldigungen bezeichnete er als Ustaša-Propaganda und kündigte auch an, den kroatischen Journalisten Domagoj Margetić verklagen zu wollen.

Zuletzt dürfte die Beziehung zu Vučić, die Aleksić immer als „eng“ bezeichnete, aber auch Risse bekommen haben. Aleksić kritisierte immer öfter dessen Politik. Eine Annäherung an EU und NATO lehnte er ab, Aleksić propagierte einen Zusammenschluss der christlich-orthodoxen Länder als Gegenpol zum Westen.

Nie angeklagt

Aleksić wurde für seine Rolle in den Jugoslawienkriegen nie angeklagt. Er lebte zuletzt in den Wäldern rund um die Stadt Bileća im Südosten von Bosnien und Herzegowina. Im März 2019 wurde er als Mitglied der „Ravna Gora“-Bewegung wegen Verbreitung von Hass und Rassismus zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. 2022 wurde dieses Urteil in eine Geldstrafe von umgerechnet 7,670 Euro umgewandelt.

Gab es tatsächlich einen Sniper-Tourismus im Bosnienkrieg? Wenn, wäre es ohne Wissen oder Zutun des Tschetnik-Kommandanten in Sarajevo wohl nicht möglich gewesen. Es ist aber auch kaum vorstellbar, dass Aleksić zur Aufklärung der Geschehnisse beigetragen und gar als Zeuge vor Gericht ausgesagt hätte. Was immer er gewusst haben mag, er nahm es am 18. Dezember mit ins Grab.