Sie habe drei Leben, sagt Katharina Pichler aus Voitsberg. „Das Leben vor dem Krebs, das Leben während der Krankheit und das Leben danach.“ Als sie 14 Jahre alt war, wurde bei ihr Leukämie festgestellt. „Bei einer harmlosen Kontrolle nach einer Angina-Erkrankung habe ich die Diagnose bekommen“, erinnert sie sich. Blutkrebs. Das war am 4. September 2015 – „ein paar Stunden später war ich schon im Krankenhaus. Ein Schlag von Mike Tyson hätte mir weniger weh getan als diese Diagnose.“
Chemotherapie
Fünf Chemotherapien folgten. Zuvor habe ihr ihre um zwölf Jahre ältere Schwester noch alle Haare abrasiert. „Sie hat mir einen schönen Zopf geflochten, dann hat sie alle Haare abgeschnitten und rasiert. Am Ende haben wir geweint.“ Den Zopf hat Katharina Pichler bis heute zu Hause. „Vielleicht als Erinnerung.“ Obwohl sie die Zeit als Krebspatientin sowieso nie vergessen könne. „Während der Chemo war ich elend beisammen und hatte die brutalste Übelkeit.“ In den ersten Wochen habe sie 20 Kilo abgenommen. „Das Schlimmste war, als ich mit meiner Mutter über mein Begräbnis gesprochen habe.“ Heute, als junge erwachsene Frau im Alter von 24 Jahren, weiß die Steirerin: „Mein Leben stand extrem an der Kippe.“
Bilder, einer kleinen, großen Kämpferin
Bis nach einer weltweiten Suche - unter Millionen von Datensätzen - eine passende Stammzellenspenderin gefunden wurde. Das hat alles verändert. „Die Stammzellenspenderin hat mein Leben gerettet. Ohne sie wäre ich heute nicht hier. Ohne sie könnte ich meine Träume nicht leben“, sagt Katharina Pichler. Kathi nannten sie damals alle, auf der Kinderkrebsstation im Uniklinikum Graz. Kathi, die Einhörner liebte. Kathi, die vom Cortison gezeichnet war. Kathi, die immer gesagt hat: „Ich werde sicher nicht mit 14 an Krebs sterben, sicher nicht.“ Am 26. Jänner 2016 wurden ihr die rettenden Stammzellen transplantiert. Danach lag sie alleine in einem Isolationszimmer.
Stammzellenspende
„Plötzlich hat die Krankenschwester Martina den Vorhang aufgezogen und vor dem Fenster des Isolationszimmers stand meine ganze Familie und hat eine spontane Stammzellenparty für mich gefeiert. Die Mama hat sogar ein Einhornkostüm angehabt.“ Ach, die Mama. „Ohne meine Mama wäre ich nichts“, sagt Katharina Pichler.
Damals - nach der Stammzellentransplantation im Jahr 2016 – haben Katharina und ihre Mutter der Kleinen Zeitung ein Interview gegeben. Beide erzählten anlässlich des Weltkinderkrebstages von ihrem langen Weg. Katharina Pichler, die damals 14-Jährige, war mit Foto auf der Titelseite. Sie hatte eine Glatze, lachte über das ganze Gesicht und sagte: „Ich lebe meine zweite Chance.“ Fast zehn Jahre ist das jetzt her. Und sie lebt heute tatsächlich ihre zweite Chance: Sie reist gerne. „Am liebsten würde ich jedes Dorf auf der Welt sehen.“ Sie liest viel, verbringt Zeit mit Freunden und Familie und ist von Voitsberg nach Graz gezogen. Vor Kurzem hat sie eine neue Ausbildung begonnen, eine Lehre mit Matura, als Verwaltungsassistentin im öffentlichen Dienst. „Danach will ich vielleicht studieren“, sagt Kathi Pichler. „Aber das alles ist nur möglich, weil mir eine fremde Frau vor vielen Jahren einfach ihre Stammzellen gespendet hat.“
Das ist auch der Grund, warum Katharina Pichler am „Weltblutkrebstag“ (Mittwoch) noch einmal an die Öffentlichkeit geht und gemeinsam mit dem Verein „Geben für Leben“ appelliert: „Lasst Eure Stammzellen typisieren. Jeder kann einmal an Krebs erkranken und ist dann auf einen Spender angewiesen.“ Julia Neugebauer, die Kärntner Sprecherin des Vereins, betont: „Jeder, der seine Stammzellen typisieren lässt, ist ein potenzieller Lebensretter.“ Katharina Pichler meint: „Meine Stammzellenspenderin ist meine Superheldin. Ich werde nie vergessen, was sie für mich getan hat. Für nichts bin dankbarer in meinem Leben.“
Die Stammzellenspenderin ist eine Fremde für sie und doch sei sie ihr irgendwie ganz nah. „Denn alles, was ich erreicht habe, und alles, was ich noch erreichen werde, hat auch sie erreicht – indem sie mir ihre Stammzellen gespendet hat.“
Sie weiß nicht viel über die Unbekannte – „nur, dass sie aus Deutschland kommt und dieselbe DNA hat wie ich“. Sie denkt oft an diese Frau: „Ich würde sie gerne einmal kennenlernen.“ Was sie ihr sagen würde? „Danke, dass ich leben darf.“