Von einem „Häufchen Elend, das bei der High Society mitschnuppern wollte“ sprach Verteidiger Hans Gradischnig hinsichtlich seines Mandanten, der im November 2024 mit einer Bombenattrappe eine Villacher Bank überfallen hat. Am Dienstag stand der heute 22-Jährige deshalb am Landesgericht Klagenfurt vor Gericht.

„Wie soll er das den Eltern erklären?“

Was war passiert? 2015 kam der gebürtige Syrer mit seiner Familie als Asylwerber nach Österreich, besuchte hier die Schule und arbeitete zeitweilig – u. a. im Restaurant, das sein Vater und Bruder in Villach eröffnet hatten. Das bisher ersparte Geld wurde von seinem Vater auf ein Sparbuch eingezahlt. Als der damals 21-Jährige Zugang erhielt, gab er es für „einen geliehenen Lamborghini, Partys, Alkohol und schöne Kleidung“ aus. 40.000 Euro wurden so von ihm in den Sand gesetzt, falsche Freunde sollen dafür verantwortlich gewesen sein. „Wie soll er das den Eltern erklären? Er wurde aus Scham zu einem Räuber“, erklärte sein Verteidiger. Das Geld verprasste er nicht nur in Kärnten, sondern in erster Linie in Salzburg und in Zell am See.

„War komplett betrunken“

Im November war das gesamte Geld schließlich verbraucht. Tankrechnungen – sie haben sich auf 130 und 98 Euro belaufen – wurden am 1. und am 2. November nicht mehr bezahlt. Einige Tage später verwendete er das Klimaticket eines Freundes, wurde im Zug jedoch dabei erwischt. Am 6. November folgte die Einvernahme wegen Betrugs und Urkundenunterdrückung durch die Polizei in Zell, die Situation wurde für den heute 22-Jährigen immer aussichtsloser. Tags darauf fuhr er schließlich „komplett betrunken“, wie der Angeklagte erklärte, von Zell nach Villach, die folgende Nacht verbrachte er auf der Straße.

Ladekabel und Netzteil als „Bombe“

Laut eigener Aussage konnte er nicht zu seinen Eltern – „aus Scham“, wie er am Dienstag erklärte. Den Plan, seine Schwester aufzusuchen, verwarf er ebenso. In der Nähe von deren Wohnung in Villach Völkendorf befindet sich jedoch eine Bank, bei welcher der Angeklagte im Rahmen seines vormittäglichen Spaziergangs mehrmals vorbeigekommen ist. „Da kam ich auf die Idee, Geld von der Bank zu bekommen.“ Infolge nahm er das Laptopkabel aus seinem Koffer, wickelte es sich um den Bauch, ergänzte es durch Netzteil und Kopfhörerkabel. Auf Nachfrage der vorsitzenden Richterin Michaela Sanin erklärte der Syrer: „Ich wollte, dass es aussieht wie eine Bombe.“ Mit dunkler Kleidung, weißen Handschuhen – wieso er diese trug, konnte er nicht sagen – sowie zu großen Teilen maskiertem Gesicht.

Angestellte kämpft mit den Folgen

Außerdem mit dabei hatte er einen Rucksack „für das Geld“, sowie einen handgeschriebenen Zettel. „Sie haben eine Minute Zeit, sonst geht die Bombe hoch“, schrieb der heute 21-Jährige darauf. Die gesamte Aktion wurde von den Überwachungskameras aufgezeichnet: Er steuerte eine weibliche Bankangestellte an, zeigte ihr den Zettel. „Ich hatte Angst, erst vor drei Jahren bin ich Opfer eines Bankraubs geworden. Hatte mit den psychischen Folgen zu kämpfen.“ Der Angeklagte hob sein Shirt, darunter war das verkabelte Netzteil zu sehen. Auf Anraten der Verteidigung bot der Angeklagte der Frau Schmerzensgeld an. Die 1200 Euro werden ihr sofort zugesprochen.

Flucht in den Irak

Der Raubversuch im November verlief für den Syrer nicht zufriedenstellend: Ein hinzugekommener Bankangestellter erklärte, dass es kein Geld in der Lade gebe und das Öffnen des Geldautomaten dauern würde. Daraufhin brach der Angeklagte seinen Raubversuch ab und meinte, in einer Minute wiederzukommen. „Das sagte er nur, um sein Gesicht zu wahren“, erklärte Verteidiger Hans Gradischnig.

„Ich bin draufgekommen, was ich hier eigentlich mache. Ich bin hinaus, habe meinen versteckten Koffer gepackt und bin zu meinem Bruder nachhause gegangen“, führte der Angeklagte aus. Dem Bruder erzählte er von seinen Geldproblemen, dieser buchte ihm noch am selben Tag einen Flug in den Irak. Dort fand der heute 21-Jährige sogar Arbeit, kam jedoch zurück nach Kärnten, um „einige Dinge zu erledigen“. Anschließend flog er wieder in den Irak, sah dort auf Social Media jedoch die Fahndungsfotos von ihm: „Da konnte ich nicht mehr schlafen, ich erkannte meinen großen Fehler.“ Er kam erneut nach Kärnten und stellte sich der Polizei. Ob er sich schuldig fühle, fragte ihn die Vorsitzende des Schöffensenats. Der Angeklagte nickt.

Kein „Prototyp eines Räubers“

Auf Nachfrage erklärte er, dass er bereits bei seinem zwischenzeitlichen „Besuch“ in Österreich von der Polizei – wegen der zuvor genannten Delikte – einvernommen wurde. Warum er sich nicht bereits zu diesem Zeitpunkt gestellt hat, will der Staatsanwalt wissen. „Das weiß ich nicht“, meinte der Angeklagte. Zu den Eltern habe er auch bei diesem Österreich-Aufenthalt nicht gehen können. „Ich habe mich geschämt, mein Vater fragte mich die ganze Zeit um die Kontoauszüge.“

Vor Rückzug der Vorsitzenden und der Schöffen erklärte Verteidiger Hans Gradischnig, dass sein Mandant nicht den „Prototyp eines Räubers“ darstelle, sondern viel mehr „ein Häufchen Elend, das bei der High Society mitschnuppern wollte“. Er plädierte darauf, beim Strafmaß – es beträgt ein bis zehn Jahre Haft – an die Untergrenze zu gehen. Bisher war der Syrer unbescholten, wegen eines Vorfalls im Jahr 2019 erhielt er eine Diversion.

Drei Jahre Haft, Verteidigung nimmt an

Nach kurzer Beratung verkündete die Vorsitzende des Schöffensenats schließlich das Urteil: Drei Jahre Haft plus Kostenersatz und Einziehen der Beweisgegenstände wegen versuchten Raubes, Urkundenunterdrückung, Betrug und Erschleichen einer Leistung. Ein erheblicher Minderungsgrund sei gewesen, dass er sich gestellt habe und dafür extra aus dem Irak zurückgekehrt sei. „Trotzdem handelt es sich um ein Kapitalverbrechen, auch die Mitarbeiterin wurde dabei geschädigt.“

Nachdem sich die Verteidigung mit dem Angeklagten und dessen Bruder – er kommentierte die Verhandlung von den Besucherplätzen aus leise und auf Syrisch für sich mit – zurückgezogen haben, nahmen sie das Urteil schließlich an.