Die Messehalle 4 in Klagenfurt war am Samstag bis auf den letzten Platz gefüllt. Rund 2500 Pädagoginnen und Pädagogen nahmen an einer Kinderschutz-Tagung teil. Eine von ihnen war Manuela Söllnbauer, Kindergarten-Pädagogin im zweiten Bildungsweg aus Millstatt. Enttäuscht vom bisherigen Verlauf der Veranstaltung nahm sie all ihren Mut zusammen und bahnte sich während des Auftritts von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) den Weg Richtung Bühne. Weil sonst niemand aufgestanden sei, habe sie es getan. „In letzter Zeit wurde viel zu viel auf unserem Rücken ausgetragen. Wir haben sehr breite Schultern, aber irgendwann ist es zu viel. Mit dem Aussetzen der Reduktion der Gruppengrößen wurde uns das letzte Licht genommen. Genau das, was uns allen am wichtigsten war, wurde von der Politik gestrichen“, sagte Söllnbauer im Anschluss an ihren denkwürdigen Auftritt im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Begeistert waren die Veranstalter von der spontanen Idee nicht, aufzuhalten war Söllnbauer allerdings auch nicht. Zuvor gab es bereits einen stillen Protest der Bebek (Berufsgruppe der elementaren Bildungseinrichtungen Kärntens), die der Politik die „Rote Karte“ zeigte.
„Da kann sogar ich laut werden“
Im Moment ihres rund fünf Minuten langen Spontanbeitrags sei sie so emotional gewesen, dass sie danach gar nicht mehr genau wusste, was sie eigentlich gesagt hat. Doch das Publikum wusste es genau und hat die Systemkritik der 40-Jährigen mit großem Jubel, Applaus und Standing Ovations gewürdigt. Einige hatten sogar Tränen in den Augen, wurde berichtet. „Ich bin eigentlich eine total gechillte Person. Wenn ich aber viermal die Woche alleine mit einer Gruppe bin und ein Kind zum 25. Mal ein anderes beißt, dann kann sogar ich laut werden. Oder die vielen Kolleginnen, die 18 Nationen in ihren Gruppen haben und auf andere Sprachen und Weltanschauungen treffen. Es ist für uns nicht leicht, selbst psychisch stabil zu bleiben“, sagt Söllnbauer, die vor ihrer Ausbildung zur Pädagogin einen Bürojob hatte. Auch wenn sie den Job an sich gerne mache, sei es gerade mehr als unsicher, ob sie bis zur Pension durchhalten könne.
Abendessen mit Landeshauptmann
Die versprochene Reduktion der Gruppengrößen auf maximal 20 Kinder wurde laut Landesregierung vorerst bis 2027 aufgeschoben. Bei den Betroffenen glaubt so gut wie niemand daran, dass es in drei Jahren passieren wird. „Das Geld wird ja nicht plötzlich vom Himmel fallen, also ist es eine Frage der Prioritäten. Vielleicht müssen wir die Kindergärten einfach einmal einen Tag zusperren, damit wir gehört werden“, sagt die zweifache Mutter. Hätte sie nach ihrer umjubelten Rede zu einer Spontandemo vor der Landesregierung aufgerufen, wären ihr vermutlich alle Zuhörer im Saal gefolgt.
Das Aussetzen der Reduktion der Gruppengrößen bezeichnete Kaiser zuletzt als „Wermutstropfen“, der ihm selbst weh tue. Finanziell sei es leider nicht anders möglich gewesen, auch er müsse diese Realität akzeptieren. Der ehemalige Bildungsreferent, für den es laut Teilnehmerinnen aufgrund der enorm angespannten Situation während seiner Rede Pfiffe und Buhrufe gab, suchte hinter der Bühne das Gespräch und bot Söllnbauer an, bei einem Abendessen noch einmal über alles zu sprechen. „Die Einladung nehme ich natürlich an“, sagt sie.