Unverbrannte Kohlenwasserstoffe. So riecht der Mauerfall. In Berlin fällt der Startschuss zur größten Trabi-Kolonne der Geschichte. Schlangestehen kennen die Pappkameraden, stauen Stoßstange an Stoßstange zur Grenze. In der Nacht des 9. November 1989 rückt das Ostauto auf das Radar der Welt.

Unverbrannte Kohlenwasserstoffe. Sie liegen heute auch am Grenzübergang zwischen Wildendürnbach in Niederösterreich und Nov Prerov in Tschechien in der Luft. „Hier war früher Sperrgebiet. Kein Durchkommen ohne Ausreisegenehmigung“, erinnert sich Petr Hanzlík und nimmt dem Moment mit einem Witz die Schwere. „Wie verdoppelt man den Wert eines Trabis?“, fragt er. – „Volltanken.“

An der "Pappe" picken geblieben

Der gebürtige Tscheche und sein Kumpel Andreas Senitsch sind an der „Pappe“ picken geblieben und wissen, wie man ihre Macken am besten repariert. Mit Humor. „Was ist ein Trabi mit Tennisschuhen auf der Hutablage? – Ein Sportmodell.“

Also, wie war das? Benzinhahn öffnen, Zündschlüssel drehen und mit dem Hebel hinter dem Lenkrad in der verkehrten H-Schaltung nach dem ersten Gang suchen. Eeeem, eeeem, eeeem. Der Zweizylinder-Zweitaktmotor dreht wie ein Brummkreisel, die 600 Kubik schöpfen aus dem Halbvollen, das Getriebe singt dazu. „Er geht einfach irrsinnig lieb mit seinen 26 PS“, schwärmt Senitsch und treibt seinen senffarbenen Trabant 601 S auf flotte 110 km/h. „Und er liegt ziemlich gut in der Kurve.“ Was er beim nächsten Kreisverkehr so ansatzlos unter Beweis stellt, dass die Ersatzsicherungen in der Nivea-Dose ängstlich klappern.

Ein bisschen russisch: Ersatzsicherungen in der Nivea-Dose
Ein bisschen russisch: Ersatzsicherungen in der Nivea-Dose © Jürgen Fuchs

„Wie viele Leute braucht es, um einen Trabi zu bauen? – Zwei. Einer faltet, einer klebt.“ Sparsamkeit, Platz für vier plus Gepäck und eine Kunststoffkarosserie wegen des chronischen Mangels an Tiefziehblech diktierte der Ministerrat der DDR am 14. Januar 1954 dem ersten Trabant ins Lastenheft. Bei der dritten und berühmtesten Auflage pappte man zehn Jahre später noch immer Karosserieteile aus baumwollverstärktem Phenoplast auf das Stahlgerippe.

Die Technik des 601 war angegraut, auch 326 Änderungen in 26 Jahren Bauzeit machten die Sache nicht wirklich besser, nur teurer. Dabei war der Wille zum Fortschritt bei den Ingenieuren von Sachsenring unbeugsam. Immer wieder heckten sie Nachfolger für den Trabant aus. Und immer wieder ließ die Partei die Prototypen in der Schrottpresse einstampfen. Aber hatte man eine Panne im Tal der Ahnungslosen, war das Konzept einfach wie genial.

Die Kunst des Weglassens: Der Motor ist in wenigen Minuten zum Ausbauen freigemacht
Die Kunst des Weglassens: Der Motor ist in wenigen Minuten zum Ausbauen freigemacht © Jürgen Fuchs

„Kein Kühler, keine Ventile, kein Zahnriemen, keine Benzinpumpe“, zählt Andreas auf, was alles nicht kaputtgehen kann, während Petr mit zwei herausgedrehten Schrauben und ein paar abgezogenen Schläuchen schon fast den Motor ausgebaut hat. „Mein Vater hat den ersten Trabi gekauft, als ich sieben war“, sagt Hanzlík.

Aus einem Urlaub in Jugoslawien kehrten er und seine Familie 1984 nicht zurück in die (C)SSR. Das Auto ließen sie an der grünen Grenze nach Österreich zurück, um sich in Wien, so schnell es ging, wieder einen zu kaufen. Und zu basteln. „Irgendwie konnte man ihn immer reparieren.“ Notfalls ohne Werkzeug.

Mindestens zehn Jahre Wartezeit

„Warum hat der Trabi eine Heckscheibenheizung? – Damit im Winter beim Anschieben nicht die Hände erfrieren.“
„Er ist nicht so schlecht wie sein Ruf. Nur kein richtiges Auto“, lacht Hanzlík. Das wussten auch die Kunden, aber die „Pappe“ gehörte dazu wie Plattenbau, Planwirtschaft und die Partei. Das blassrote Bestellformular konnte man gefahrlos ausfüllen, auch wenn man gerade kein Geld hatte. Sein Auto bekam man frühestens nach zehn Jahren Warten.

Wie sich die Zeiten ändern: „Vor zehn Jahren haben sie ihn noch Stinker genannt“, näselt Senitsch, das Nasezuhalten der Passanten demonstrierend. „Heute winken sie einem zu.“ Der Trabi hat den DDR-Mief hinter sich gelassen, bis auf die blauen Wolken verbrannten Zweitaktgemischs. Sein Weg führte von der Kiste zum Kult.

Aus dem Auspuff kommen mitunter blaue Abgaswolken
Aus dem Auspuff kommen mitunter blaue Abgaswolken © Jürgen Fuchs

„Am Anfang hat er mir nicht gefallen, aber mit jedem gemeinsamen Kilometer habe ich ihn lieber.“ 50.000 in vier Jahren sind es inzwischen, Sommer wie Winter, jeden Tag. Der Genosse ist günstig im Unterhalt, ein treuer Begleiter. Ein Trabant eben.

Wider Willen zu Weltruhm gelangt, trat der Trabi in aller Stille ab. Dass der Letzte am 25. Juli 1990 in Zwickau vom Band lief, ging im Jubel und Trubel der Wende unter. Die blauen Wölkchen vom Westwind verwirbelt.