Durch einen ruhigen Innenhof, in den sich der Trubel des ersten Wiener Bezirks nicht hineintraut und nur ein Täubchen gurrt, gelangt man in die Wiener Wohnung der Unternehmerin Astrid von Stockar. Die Unternehmerin und ehemalige Produzentin und Moderatorin des Schweizer Fernsehens empfängt freudig an der Tür. Freudig, und sogleich auch farbenfroh. Warme Töne, beruhigende Atmosphäre, viel gibt es für die Augen zu entdecken. Kunst an den Wänden, unterschiedliche Objekte auf Sideboards und Kommoden, Vorhänge in starken Farben und das Spiel mit verschiedenen Haptiken.

Die Wohnung erschließt sich über einen alten, schön restaurierten Parkettboden, geleitet in den Wohnraum mit offener, moderner Küche und hohen Altbaufenstern. Sie ist ein atmosphärisches Bekenntnis zum Leben, Reisen und zur Neugier. „Ich wollte nie eine Wohnung, die aussieht wie aus dem Katalog“, sagt Astrid von Stockar. „Kein anonymes Design, kein Mainstream-Hochglanz.“

Eine Wiener Melange

Ihr Wiener Zuhause ist eine Melange aus Fundstücken, Farben, Biografien. Eklektisch, wäre wohl das naheliegende Wort, ein „Mix and Match“ auf höchstem Niveau. Die Einrichtung lebt von Kontrasten: Biedermeiersessel trifft auf eine Lampe aus einem alten Kino in Prag. Afrikanische Holzstühle neben Wiener Geflecht, das neu bezogen wurde. Hier steht ein skandinavischer Schrank, dort ein Spiegel vom Dorotheum. Jedes Stück am richtigen Platz, obwohl kaum eines bewusst inszeniert, sondern nach Gefühl platziert wurde.

Die Wohnung spiegelt Astrid von Stockars Leben wider. „Ich glaube nicht an Trends. Ich glaube an Atmosphäre. Und an Geschichten. Ich kann nichts wegwerfen, weil alles Teil meines Weges ist.“ Tatsächlich wurde vieles auf Reisen gesammelt, teils mühsam im Handgepäck nach Wien gebracht. Andere Möbel sind Erbstücke, durch neue Stoffe, Farben oder Anordnungen verwandelt. Der Lieblingsstuhl, etwa: aus der Schweiz mitgebracht, frisch bezogen in einem intensiven Pink. Die Verwandlung ist hier Programm: Kaum ein Möbelstück steht länger als ein paar Monate an derselben Stelle. „Ich brauche Bewegung. Auch in Räumen.“

Glück aus Glas

Ihre Liebe zum Detail zeigt sich in ihrer besonderen Leidenschaft für Geschirr und Gläser. „Ich bin besessen von Gläsern,“ sagt die Unternehmerin lachend. Das Lieblingsglas stammt aus einer kleinen italienischen Manufaktur – mundgeblasen, auf dessen Boden „lebt“ eine zarte Schnecke. Dazu gesellt sich eine Zuckerschale aus Silber, die um 1850 hergestellt und im Dorotheum entdeckt wurde. Und ein venezianischer Wasserkrug, der wie flüssiges Licht wirkt. „Ich kann mich stundenlang mit der perfekten Kombination von Gläsern und Tellern beschäftigen, das ist für mich wie Musik: ein Arrangement aus Klang, Form und Licht.“

Apropos Musik. Die Wohnung fungiert als pied-à-terre, als Basis für Begegnungen, Kultur und auch für das Familienleben. „Wir tanzen hier. Wirklich. Die Möbel werden beiseitegeschoben, mein Mann, unsere Kinder, wir spielen abwechselnd unsere Playlists.“ Wien ist ein bewusst gewählter Ankerpunkt für die Schweizerin. „Die Stadt hat eine melancholische Freundlichkeit, eine Frische und Bodenständigkeit, die mir guttut.“

Das Meer vor Triest an den Wänden

Trotz dieser Leichtigkeit hat jeder Raum seine Komposition. Die Farbwahl ist bewusst, oft mutig. Ein sanftes Taubenblau dominiert die Wände im Wohnraum, eine Nuance, die den Altbau rahmt und auch ein bisschen an die Zeit erinnert, als Österreich noch einen Meerzugang hatte. Senfgelbe Vorhänge im Wohnzimmer geben dem Raum Tiefe und eine gewisse Behaglichkeit, die sich wohlig an einen schmiegt.

Das Schlafzimmer überrascht mit einer Tapete aus Seegras. Eine leise, strukturierte Fläche, die den Raum dämpft wie ein flüssiger Vorhang. Das Licht fällt weich über die gewebte Wand. „Ich liebe es, wenn Räume auch haptisch sind, wenn ich beim Vorbeigehen eine Wand streifen kann und es löst etwas in mir aus.“ Überhaupt: Stoffe. Stofflichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die Wohnung. Leinen, Samt, Wolle, Bast – unterschiedlichste Haptiken, bewusst kombiniert. Auf dem Sofa liegen Kissen in kräftigen Farben, daneben ein Teppich. „Ich glaube, ein Raum soll sich anfühlen. Im wörtlichsten Sinne.“

Zuhause muss das Leben aushalten

Funktionalität? Ja. Aber nicht als Selbstzweck. Die Wohnung wird genutzt, belebt, manchmal auch beansprucht. „Ich finde, ein Zuhause muss das Leben aushalten. Auch das Unschöne. Ich mag Dinge, die Patina haben. Die erzählen etwas von Zeit. Und die dürfen auch einen Kratzer haben, oder zwei.“

An den Wänden: Kunst. Ernsthafte Werke, humorvolle Positionen. Eine kleine Skulptur von Erwin Wurm steht auf einem alten Mahagonitisch wie ein augenzwinkernder Gast. „Ich finde, Kunst darf auch leise sein. Und trotzdem etwas im Inneren verschieben.“ Im Flur hängt ein filigranes Aquarell, das Stockar in Paris gefunden hat. Im Wohnzimmer ein großformatiges Foto, das mehr spürbar als sichtbar ist. Die Kunst wirkt nicht ausgestellt, sondern eingelebt. Wie alles hier.

Kein musealer Raum, sondern ein bewohnter Kosmos, der sich nach Leben und Gesprächen anfühlt. Und auch ein bisschen nach Freiheit. „Ich glaube, Wohnlichkeit hat nichts mit Gemütlichkeit im klassischen Sinne zu tun. Sondern mit Identität. Mit Haltung.“ Und vielleicht auch mit der Lust, manchmal die Musik aufzudrehen, barfuß über den Boden zu tanzen und sich am Leben zu erfreuen.