Für viele Konsumenten ist Amazon gerade der Retter der Weihnachtsgeschenke. Der österreichische Online-Handel dürfte weit weniger von der Bestell-Flut infolge der Corona-Pandemie profitieren als der US-Konzern. "Dramatisch" sei die aktuelle Entwicklung für die heimischen Unternehmen, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Für die GPA-Vorsitzende Barbara Teiber nimmt die Marktmacht von Amazon inzwischen "ein ungeahntes Ausmaß" an. Ohne eine Eindämmung gebe es vielerorts bald gar keine Alternativen mehr. Teiber: "Wir brauchen Gesetze, um diese Monopolstellung zu durchbrechen."

Welche Folgen das Bestellen bei dem allmächtigen Marktführer Amazon hat, dürfte die meisten Nutzer derzeit kaum bis gar nicht kümmern. Die Probleme sind bekannt, bekommen aber durch Corona noch mehr Dynamik: Von den Milliarden-Umsätzen bleibt vergleichsweise wenig in Österreich "hängen". Der Markgigant ist zudem groß im internationalen Vermeiden von Steuern. Die Arbeitsbedingungen gelten als miserabel. Auch für die Entsorgung der Verpackungen, für die Unternehmen Gebühren entrichten müssen, zahlt Amazon in Österreich bisher offenbar viel zu wenig. "Altpapiercontainer sind inzwischen zu zwei Dritteln mit Verpackungen gefüllt", so Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace Österreich und CEE. Egit zufolge gibt es seitens Amazon bisher keine korrekten Meldungen an die zuständige Koordinierungsstelle. Er geht davon aus, dass 1,3 Millionen in Österreich retournierte Pakete pro Jahr vernichtet werden.

"Gemeinsamer Schulterschluss"

Die Bundesregierung müsse den unfairen Wettbewerbs-Praktiken sofort einen Riegel vorschieben, fordern Will, Teiber und Egit in einem   "gemeinsamen Schulterschluss", wie sie bei einer Pressekonferenz sagten. Die Umsetzung des Forderungspakets verlangen sie zum 1. Jänner 2021, also sofort, räumen allerdings selbst ein, dass das wohl kaum realisierbar ist. Wichtig sei, dass sich die Regierung der Probleme sofort annehme. "Wenn die Politik unsere Forderungen umsetzt, nützt das tausendmal mehr als ein Kaufhaus Österreich", so Teiber mit einem Seitenhieb auf die viel kritisierte neue Plattform, die  Wirtschaftsministerium und Wirtschaftskammer kürzlich ins Leben gerufen hatten. Will hätte sich in diesem Zusammenhang eine breitere Einbeziehung weiterer Akteure gewünscht. 

Das Paket ist groß, die einzelnen Punkte sind: Eine fiktive Gewinnbesteuerung, Anstellungspflicht von Leiharbeitern nach einer bestimmten Zeit, generell bessere Arbeitsbedingungen, das Zulassen von Arbeitnehmervertretungen. Entsorgungsbeiträge müssten über eine Plattformhaftung sichergestellt werden. Weiters müsse Zoll auf jede Sendung eingeführt werden. Für Fake-Produkte, die extrem verbreitet seien, müsse zudem die Plattform haften.

Schaden für niedrigere Deklarierung

Weil Amazon mangels einer eigenen Betriebsstätte in Österreich keine Steuern zahlt, müsse eine fiktive Gewinnbesteuerung in Höhe von fünf Prozent des in Österreich generierten Umsatzes greifen. Die Einführung einer digitalen Betriebsstätte zwecks Besteuerung wurde im Zusammenhang mit Online-Konzernen bereits häufiger diskutiert, aber nie umgesetzt. Die Wirschaftsuni Wien hat berechnet, dass diese Lösung 300 Millionen Euro bringen könnte.

Die aktuelle Digitalsteuer sei zu wirkungslos, bringe gerade einmal 15 Millionen Euro im Jahr, kritisierte Will. Er erklärte anhand einer fiktiven Gewinn- und Verlustrechnung, wo Amazon überall profitiere. Produkte würden in Niedriglohnländern produziert, der Umsatz sei in den meisten Fällen massiv unterdeklariert um Zoll- und Steuerpflichten zu umgehen, oft handle es sich um Fake-Produkte, bei den Personalkosten in den Verteilzentren gebe es Leasingquoten bis zu 90 Prozent, Verpackungsgebühren würden nicht wirklich entrichtet. Zum Schluss würde ein Europa-Umsatz von 32 Milliarden Euro so umgemünzt, als hätte Amazon keinen Gewinn gemacht. Für ihn sei Amazon vor allem im Zusammenhang mit dem systematischen Unterschreiten der Mehrwertsteuerfreigrenze von 22 Euro je Sendung "das Nadelöhr für kriminelle Massenorganisationen". Der Schaden durch zu niedrige Deklarierung belaufe sich allein in Österreich auf 150 Millionen Euro.

Hälfte des E-Commerce-Umsatzes fließt ins Ausland

Als Beispiel für funktionierende strengere Regeln auch auf nationaler Ebene führten Teiber, Egit und Will Schweden an. Zoll-und Steuerpflicht gelten dort inzwischen ab dem ersten Cent. Die Zahl der täglichen Sendungen sei dadurch von 160.000 auf 20.000 gesunken. Auf die EU zu warten, hält Will nicht für zielführend: "Da gibt es zu viele Einzelinteressen, speziell wenn drei Steuerparadiese mit am Tisch sitzen."

In Österreich beläuft sich der E-Commerce-Umsatz auf acht Milliarden Euro, wovon gut die Hälfte ins Ausland abfließt. Amazon setzt in ganz Europa 32 Milliarden Euro um. Über die Plattform verkaufen inzwischen auch 6500 österreichische Händler ihre Produkte. Will zufolge setzte Amazon in Österreich zuletzt rund zwei Milliarden Euro um.

Will hatte zuletzt vorgeschlagen, Corona-Massentests mit einem "Österreich-Scheck" zu verbinden. Nach dem Motto: Wer sich testen lässt, soll 500 Euro bekommen. Aufgenommen wurde sein Vorschlag allerdings nicht.

"Nehmen den Dialog gerne auf"

Vizekanzler Werner Kogler ließ über Twitter wissen, dass das Signal der Handelsvertreter ernst genommen werde. "Gerne nehmen wir den Dialog zu weiteren Schritten auf", so Kogler. Man werde den "Druck gegen Steuerverschiebungen und -vermeidung bzw. gegen jede Art von Missbrauch und Steuerbetrug" international erhöhen, so Kogler auf Twitter.

Finanzminister Gernot Blümel schlug in dieselbe Kerbe. "Wir werden uns weiterhin für eine internationale Lösung zu diesem Thema einsetzen und ich freue mich, wenn es hier breite Unterstützung in Österreich gibt", so der Minister laut Aussendung. Auch SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer begrüßte die heute gestellten Forderungen des Handelsverbandes und der Gewerkschaft. Die SPÖ fordere schon seit langem, dass internationale Online-Konzerne gerecht besteuert werden.

Amazon weist Vorwürfe zurück

Amazon selbst wies die Vorwürfe zu geringer Steuerzahlungen zurück. "Amazon zahlt alle anwendbaren Steuern in allen Ländern, in denen wir agieren", heißt es in einem Statement eines Amazon-Sprechers gegenüber der APA.

Auf Kritik rund um die Arbeitsbedingungen entgegnete der Online-Händler: "Tatsache ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Amazon bereits von exzellenten Löhne, exzellenten Zusatzleistungen und exzellenten Karrierechancen profitieren - und das alles in einer sicheren, modernen Arbeitsumgebung."