Der Grazer Antriebsstrangentwickler, die AVL List GmbH, hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2019 den Umsatz um 12,6 Prozent von 1,75 auf 1,97 Milliarden Euro gesteigert. Für 2020 ließe sich wegen der Corona-Krise allerdings derzeit keine Prognose abgeben, sagte CEO Helmut List im Gespräch mit der APA. Rund 33 Prozent der österreichischen Mitarbeiter wurden zur Kurzarbeit angemeldet.

2019 war für die AVL mit ihren mittlerweile weltweit rund 11.500 Mitarbeitern, davon 4300 in Graz, ein gutes Jahr: "Wir haben unsere Aktivitäten gut weitergeführt, diese technologisch stark ausgebaut und auf eine industriell starke Basis gebracht", sagte List. Während man sich früher hauptsächlich auf Antriebe konzentriert habe, komme heute die Integration der Antriebe in das Fahrzeug hinzu. ADAS (Advanced Driver Assistance Systems) sowie autonomes Fahren seien wichtige Eckpfeiler im Portfolio des Unternehmens geworden. Das Umsatzwachstum mit 12,6 Prozent ist zum sechsten Mal in Folge über zehn Prozent: "Das ist eine sehr kontinuierliche Entwicklung", unterstrich List.

Erfahrungen aus China für Österreich mitgenommen

List betonte die Möglichkeiten der von der AVL bereitgestellten integrierten offenen Entwicklungsplattform: Sie erlaube es, "alle Entwicklungswerkzeuge und Architekturen so zu integrieren, dass wir uns im Zusammenspiel von Simulation, Testresultaten und Emulation frei bewegen können." Die Digitalisierung des Entwicklungsprozesses habe im Unternehmen schon immer einen hohen Stellenwert gehabt, was nun in Zeiten der Corona-Krise ein Vorteil sei. Mit virtuellen Prüfständen - vorerst ohne physischen Aufbau von Motoren oder Prototypen - können bereits im Voraus wichtige Leistungsumfänge realisiert werden, was gerade in Zeiten von Reisebeschränkungen ein großer Vorteil sei.

Rund 1700 Mitarbeiter in den österreichischen Tochterunternehmen wurden zur Kurzarbeit angemeldet, gleichzeitig haben 60 Prozent aller Mitarbeiter auf Homeoffice umgestellt. Der Rest arbeite nach wie vor im Betrieb weiter - etwa in der Produktion oder in den Labors. Dort werde auf "Social Distancing" Wert gelegt, auf Sauberkeit und zunehmend Masken. AVL habe schon aus China Erfahrungen für Österreich mitgenommen, früh ein Krisen-Team gebildet und so schnell mit Maßnahmen reagiert. "Wir haben die Entwicklung hautnah miterlebt", so der CEO. In China, wo AVL rund 800 Mitarbeiter hat, 60 davon in Wuhan, habe sich kein einziger Angestellter mit dem Coronavirus angesteckt. In Graz dagegen gab es sehr wohl Mitarbeiter, die positiv auf Covid-19 getestet wurden. Davon habe sich aber kein einziger im Betrieb infiziert, betonte List.

Das Geschäft während und nach der Krise sei schwerer einschätzbar: "Wir sind mit einem vernünftigen Auftragsstand ins neue Jahr gestartet, wenngleich das Wirtschaftsumfeld nicht besonders stark war, aber es war im Rahmen. Nun ist der Auftragsstand nach wie vor vernünftig, aber es ist unklar wie die OEM (Original Equipment Manufacturer, Anm.) in den kommenden Monaten agieren werden. Wie viele Aufträge hereinkommen, ist schwieriger vorauszusagen. Manche OEM haben die Produktion vorübergehend geschlossen, in vielen Fällen arbeiten die Entwicklungsbereiche aber weiter und sind bezüglich Projekte gut ansprechbar." Manche Kunden würden weiterhin bestellen, manche gingen kurzfristig auf "hold".

"Genau das, was wir nun mit unseren Kunden erleben, können wir mit der Corona-Kurzarbeit allerdings nur teilweise abfedern", so List. Das Modell sei flexibel und anpassbar, je nach Bedarf. "Zusätzlich zu den AVL-Teams in den Ländern vor Ort wird fallweise die Kompetenz der Spezialisten aus Graz benötigt, die über online-Anleitungen, also Remote Support, unsere Vor-Ort-Teams zum Beispiel für Inbetriebnahmen unterstützen." Der Kunde schätze das.

"Hohes Maß an Solidarität"

List ist sich sicher: "Die Welt wird sich durch die Corona-Krise verändern." Es werde viel mehr online und virtuell gemacht und das funktioniere, wie man jetzt sehe. Er selbst arbeite überwiegend von zu Hause aus - mit Videokonferenzen. Er ortet generell mehr Gespräche und kann der Situation in punkto Zusammenarbeit sogar etwas Positives abringen: "Aber die Business-Unsicherheit ist da." Zugleich gebe es im Unternehmen "ein hohes Maß an Solidarität, da bin ich den Mitarbeitern zutiefst dankbar dafür".

Der Exportanteil des weltweit tätigen AVL-Konzerns blieb 2019 weiterhin bei 96 Prozent, in Forschung und Entwicklung wurden abermals rund 10 Prozent des Umsatzes investiert. Neben dem großen Thema Batterie sieht List einen Zukunftsmarkt im batterie-elektrischen Antrieb, Hybrid- und Brennstoffzellenantrieb, die alle elektrische Achsen oder elektrifizierte Getriebe verwenden.

Mit der Entwicklung der österreichischen Tochterunternehmen sei der CEO zufrieden - besonders mit AVL DiTest, die sich eine "hervorragende Position am europäischen Markt" erarbeitet habe. Piezocryst Advanced Sensorics entwickle weiterhin Sensoren unter anderem für die Formel 1 und sei "im Verband" mit der AVL-Mutter stark, versuche sich aber auch zunehmend selbst am Markt zu positionieren.