Die weltweite Konjunktur verliert an Fahrt. Angesichts wachsender Risiken erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) für 2018 und 2019 ein globales Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent, wie aus einer am Dienstag vorgelegten Prognose der UNO-Sonderorganisation hervorgeht. Zuletzt waren die Ökonomen noch von jeweils 3,9 Prozent ausgegangen. Erhöht wurde die Prognose für Österreich.

Das Plus des österreichischen Bruttoinlandprodukts (BIP) soll heuer real 2,8 Prozent betragen, geht aus dem am Dienstag im indonesischen Nusa Dua vorgestellten neuen World Economic Outlook hervor. Im Frühjahr hatte der IWF für Österreich ein Plus von 2,6 Prozent prognostiziert. Kommendes Jahr soll das Wachstum 2,2 Prozent betragen, um 0,3 Prozentpunkte mehr als im April prognostiziert.

Der IWF erhöhte damit seine Prognosen, während die heimischen Wirtschaftsforscher ihre Schätzungen kürzlich reduzierten. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) rechnet für heuer mit 3,0 Prozent Realwachstum in Österreich - in der Sommerprognose wurden noch 3,2 Prozent erwartet. Auch für 2019 setzte das Wifo die Prognose von 2,2 auf 2,0 Prozent herab. Das Institut für Höhere Studien (IHS) reduzierte die Vorhersage für heuer von 2,9 auf 2,7 Prozent, ließ den Ausblick für 2019 aber mit 1,7 Prozent unverändert.

Bremsspuren in Deutschland

Schwächer soll jedoch die Wirtschaft des wichtigsten Handelspartners Deutschland wachsen. Heuer und 2019 sehen die IWF-Experten für Deutschland ein BIP-Wachstum von 1,6 Prozent, das sind um 0,6 bzw. 0,1 Prozentpunkte weniger als in der April-Prognose. Gründe dafür sind dem Währungsfonds zufolge ein sich abkühlendes Exportgeschäft und eine schwächere Industrieproduktion.

Der IWF führt als Gründe für seinen eingetrübten Wachstumsausblick neben den "negativen Effekten" von handelspolitischen Maßnahmen auch die zunehmenden Schwierigkeiten für eine Reihe von Schwellen- und Entwicklungsländern an - darunter verschärfte Finanzierungsmöglichkeiten durch teurer werdende Kredite und höhere Ölpreise.

"Wahrscheinlichkeit weiterer negativer Schocks gestiegen"

"Die Wahrscheinlichkeit weiterer negativer Schocks für unsere Wachstumsvorhersage ist gestiegen", sagte IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld bei der Vorstellung des Berichts. "Das Wachstum wird von nicht nachhaltigen politischen Maßnahmen getrieben", fügte er vor allem mit Blick auf die USA hinzu. Obstfeld beklagte auch die ungerechte Verteilung des Wachstums. "Nicht nur hat sich der langfristige Wachstumstrend in Industrieländern abgeschwächt, die magerer werdenden Vorteile sind auch noch vorrangig bei denen gelandet, denen es relativ gut geht", kritisierte er.

Die USA profitierten zunächst von den Steuerentlastungen der Trump-Regierung. Heuer rechnet der Fonds mit einem Wachstum von 2,9 Prozent. 2019 entpuppten sich aber die jüngsten US-Importzölle auf chinesische Produkte im Umfang von 200 Milliarden Dollar (174,25 Mrd. Euro) zur Belastung. Die Wirtschaftsleistung werde dann um 2,5 Prozent zulegen, das sind 0,2 Prozentpunkte weniger als zunächst angenommen. 2020 und danach werde das US-Wachstum weiter abbröckeln.

Die Prognose für China senkte der Fonds um jeweils 0,2 Punkte auf 6,6 Prozent in diesem und 6,2 Prozent im nächsten Jahr. Für den Euro-Raum nahmen die Experten ihre Prognose schon für dieses Jahr um 0,2 Punkte auf 2,0 Prozent zurück. Die Prognose für das nächste Jahr beließ die Institution bei 1,9 Prozent.

Handelskonflikte und politische Unsicherheiten

Für die Türkei erwartet der Währungsfonds wegen der schwachen Lira, der gestiegenen Kreditkosten und der ungewissen Entwicklung der dortigen Verbrauchernachfrage für das kommende Jahr einen deutlichen Rückgang des Wachstums auf 0,4 Prozent - 3,6 Prozentpunkte weniger als noch im April. Die türkische Wirtschaft bleibe "höchst anfällig" für geopolitische Risiken oder plötzliche Veränderungen von Kapitalströmen, erklärte der IWF.

Für das von einer Wirtschafts- und Währungskrise betroffene Argentinien sagt der Währungsfonds einen Abschwung um 2,6 Prozent 2018 und 1,6 Prozent im kommenden Jahr voraus. Im Krisenstaat Venezuela steht demnach bereits das fünfte Jahr in Folge ein Rückgang des BIP an: 2018 um 18 Prozent und 2019 um weitere fünf Prozent. Binnen fünf Jahren sank dort das BIP pro Kopf nach IWF-Angaben um mehr als 35 Prozent, bis 2023 könnten es fast 60 Prozent sein.

Aber auch für die wirtschaftlich am weitesten entwickelten Industrieländer bestehen dem IWF zufolge Risiken: Die Zentralbanken könnten sich demnach von einer rascheren Abkehr ihrer expansiven Niedrigzinspolitik genötigt sehen und die geldpolitischen Zügel anziehen müssen, falls sich Handelskonflikte oder politische Unsicherheiten weiter zuspitzten - oder etwa in den USA eine höher als erwartet ausfallende Inflation eine Gegenreaktion erforderlich mache.

Dies wiederum könne dann zu Turbulenzen an den Finanzmärkten und zu Wechselkursentwicklungen führen, die für die Schwellenländer einen weiteren Kapitalabzug bedeuteten. Nötig seien deshalb Reformen, "kooperative Lösungen" und die Vermeidung von protektionistischen Reaktionen, erklärte der IWF. In vielen Ländern sei es zudem erforderlich, Finanzpuffer zu schaffen und so die eigene Widerstandsfähigkeit gegenüber einem Umfeld zu schaffen, in dem sich die finanziellen Bedingungen "plötzlich" verschärfen könnten.