Seit Juli des Vorjahres hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die aus dem Ruder gelaufene Inflation neunmal in Serie die Leitzinsen erhöht. Von null auf mittlerweile 4,25 Prozent. Ein Tempo, das es zuvor noch nie gegeben hat. Das hat jeweils unmittelbare Auswirkungen auf jene Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer, die variabel verzinste Kredite abgeschlossen haben. Wer 2021 einen variablen Immobilienkredit abgeschlossen hat und monatlich 1740 Euro zurückzahlte, muss jetzt 2935 Euro zahlen, rechnete zuletzt beispielsweise das Vergleichsportal "durchblicker" vor. Die monatlichen Belastungen sind damit für viele Haushalte massiv gestiegen – teilweise über die Schmerzgrenze hinaus.

Erste-Group-Vorstandschef Willibald Cernko hat in seiner Funktion als Banken-Spartenobmann am Mittwoch mit Finanzminister Magnus Brunner Eckpunkte für Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer präsentiert, die aufgrund der steigenden Zinsen in Schwierigkeit geraten sind. "Wir sind uns einig, dass wir reagieren müssen, es war ein konstruktives Gespräch", sagt Brunner. Es wurden auch Punkte für mehr Transparenz bei Sparzinsen sowie zur Bargeldversorgung vorgestellt.

Die Eckpunkte im Überblick:

  • Für Haushalte mit variabel verzinsten Wohnraum- und Immo-Krediten, die aufgrund der gestiegenen Zinsen und höheren Belastungen nun in Schwierigkeiten geraten, werden zeitlich befristet - für zwölf Monate - keine Mahnspesen und keine Verzugsspesen einzuheben, wie Cernko ankündigt, "das nimmt Druck heraus". Cernko hält aber fest, dass derzeit nicht zu sehen sei, dass eine Vielzahl an Haushalten unter den gestiegenen Zinslast zusammenbrechen oder zusammenzubrechen droht. Die Vielzahl an Belastungen - neben Zinsen - auch Energie- und Lebensmittelpreise führe aber zu entsprechenden Sorgen, die man ernst nehme. 
  • Für jeden einzelnen Kreditnehmer, dem Schwierigkeiten drohen, werden individuell - in einer Einzelfallbetrachtung bei der Hausbank - Möglichkeiten ausgelotet, Stundungen oder Laufzeitverlängerungen zu prüfen.
  • Sowohl Brunner als auch Cernko kündigen zudem an, dass es bei Sparzinsen zu mehr Transparenz kommen werde. So werden nun die Sparzinssätze für sechsmonatige, zwölfmonatige und 24-monatige Bindungen bei der Nationalbank eingemeldet. Das soll die Transparenz und auch den Wettbewerb erhöhen. "Wir haben mehrmals betont, dass Sparerinnen und Sparer rascher von den gestiegenen Zinsen profitieren sollen, hier spielt Transparenz eine wesentliche Rolle", so Brunner. Cernko verweist aber auch darauf, dass bei Sparzinsen bereits Bewegung ins Spiel gebracht worden sei. "Damit können sich die Sparerinnen und Sparer jederzeit und einfach auch einen Überblick über die Angebote der unterschiedlichen Banken machen", sagt Brunner.
  • Brunner kündigt, ebenfalls im Sinne des Wettbewerbs, zudem an, dass man das Modell Bundesschatz "wiederbeleben" werde. Die Republik bietet also auch Privatkunden offensiv festverzinsliche Staatsanleihen an.
  • Auch rund um die Bargeldversorgung soll es Initiativen geben. Mit gut 9000 Geldausgabeautomaten und Tausenden Geschäften, bei denen Kundinnen und Kunden auch Bargeld abheben können, sei die Bargeldversorgung in Österreich - auch im weltweiten Vergleich - sehr gut ausgeprägt, sagt Cernko. Man wolle aber jene Gemeinden, die selbst dafür gesorgt haben bzw. sorgen, dass es Geldausgabeautomaten vor Ort gibt, unterstützen - und die Infrastruktur zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellen.
  • Noch im Stadium der Ausarbeitung sei indes die Idee, seitens der Banken einen Topf zu dotieren, mit einem hohen zweistelligen oder sogar dreistelligen Millionenbetrag, der Zinszuschüsse für Wohnraum - vornehmlich für Jungfamilien - ermögliche. "Dazu wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt", so Cernko. Hier könnte es dann im Herbst eine zusätzliche Initiative geben.

"Zinsdeckel kartellrechtlich nicht möglich"

Um die steigenden Zinsüberschüsse der Banken sowie das größer werdende Gefälle zwischen den Kreditzinsen und den Sparzinsen war hierzulande zuletzt ein intensive Diskussion entbrannt. Die FPÖ forderte eine Übergewinnsteuer nach Italo-Vorbild, die SPÖ pochte auf Eingriffe in den Markt und sprach sich für Mindestzinsen auf Spareinlagen aus. Die Debatte rief sodann das Sozialministerium auf den Plan, das den Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit einer Verbandsklage gegen den Bankensektor beauftragte.

Der Sondersteuer erteilte Brunner bereits eine Absage, eine Position, die er heute bekräftigte. Ebenso werde es keinen Zinsdeckel geben, das sei kartellrechtlich nicht möglich und würde "zu massiven Verwerfungen an den Finanzmärkten" führen, argumentierte der Politiker.

Teils heftige Kritik

Die Reaktionen auf die angekündigte Unterstützung für Kreditnehmende sind gemischt ausgefallen. Die Maßnahmen würden das Problem hoher Kredit- und niedriger Sparzinsen nicht lösen, so die Oppositionsparteien. Hohe Überziehungszinsen und steigende Kreditraten seien der Bevölkerung schwer zuzumuten, so der Tenor. Das Paket liefere hier keine echte Lösung. Positive Reaktionen gab es hingegen von der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und der Industriellenvereinigung (IV).

"Die Banken haben gemeinsam mit der Bundesregierung ein Paket ausgearbeitet, das Kreditnehmer:innen dann unter die Arme greift, wenn und wo es wirklich notwendig ist", so etwa WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf in einer Aussendung. "Damit muss auch das populistische Spiel einzelner Politiker auf dem Rücken einer gesamten Branche ein Ende haben."

"Nicht zielführend"

"Die aktuell vorgeschlagenen, kurzfristigen und teils populistischen Eingriffe in den Bankensektor sind nicht zielführend und schaden dem Investitionsklima", sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer laut einer Aussendung. "Mit den Vorschlägen zur Transparenz der Verzinsung von Spareinlagen wird sichergestellt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger ihr Geld mit der jeweils besten Verzinsung anlegen können", so Neumayer.

Kritischer betrachteten die NEOS die Maßnahmen: Dass die Banken betroffenen Kreditnehmern unter die Arme greifen, sei deren gutes Recht, merkten die NEOS an. "Denn es ist nicht die Aufgabe der Politik, jeden Lebensbereich zu Tode zu regulieren, genauso wenig wie die Mieterinnen und Mieter durch ihr Steuergeld das Risiko von Wohnungseigentümern mit variablem Kredit übernehmen können", sagte NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker laut einer Aussendung. Allerdings müssten die Lohnnebenkosten gesenkt werden, damit die Bevölkerung über mehr Geld verfüge.

"Bittsteller der Banken"

SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer wiederum forderte in einer Stellungnahme einen Zinsdeckel, damit die Kredite getilgt werden können. Als zumindest kleinen Erfolg verbuchte hingegen SPÖ-NÖ-Vorsitzender Sven Hergovich die Pläne der Banken und der Regierung für sich. Nach seiner Forderung eines Zinspreisdeckels von 3 Prozent sei die Problematik thematisiert worden, so Hergovich in einer Stellungnahme der SPÖ.

Bei der FPÖ kann man den Maßnahmen nichts abgewinnen: "Unleistbare Kreditzinsen bleiben unberührt, es gibt keinen Zinsdeckel, keine Übergewinnsteuer, keine Erhöhung der Bankenabgabe und kein Ende der 'Scheingewinn'-Steuer auf Sparzinsen", erklärten laut Aussendung FPÖ-Parteichef Herbert Kickl und FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs. "Für die Sparer gibt es also genau nichts und die Kreditnehmer sind bei Verzugszinsen und Mahnspesen Bittsteller der Banken."

Für den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) sind die Ergebnisse des Bankengipfels enttäuschend. "Die Problematik der hohen Zinsen für Überziehungskredite wurde nicht einmal angegangen", kritisierte ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth in einer Aussendung. Andere Länder hätten etwa Zinsobergrenzen für Kredite, ergänzte Schuberth. Unklar sei auch, wie die Zinszuschüsse für eine Eigenheiminitiative aussehen werden. "Man kann nur hoffen, dass hier rasch ein Konzept ausgearbeitet wird", so die Ökonomin.

Das Arbeiterkammer-nahe Momentum Institut verweist in einer Aussendung wiederum auf das französische Modell und fordert ähnliches für Österreich: Demnach erhalten Sparer in Frankreich derzeit auf Spareinlagen je nach Einkommen 3 oder 6 Prozent Zinsen, wobei diese staatlich festgelegt werden.

Beratungsfehler?

Aber auch bei den Verbraucherschutzorganisationen sind die Zinsen ein Thema: Die Rechtsschutz-Plattform Cobin Claims sieht Beratungsfehler, die Kreditnehmer teuer kommen. Aber auch bei den rund 45.000 derzeit noch offenen Franken-Krediten mit Endfälligkeit und Tilgungsträgern sieht Cobin-Claims-Obmann Oliver Jaindl Probleme: Hier sollte die Politik für ein Moratorium sorgen, um Notfälle und Zwangsversteigerungen zu verhindern.

Der Verbraucherschutzverein (VSV) kritisiert ebenfalls die Fremdwährungskredite und fordert eine Verlängerung der Verjährungsfrist für falsche Beratung von drei auf 30 Jahre sowie einen Unterstützungsfonds für Klagen und einen Härtefall-Fonds sowie die Umsetzung der EU-Richtlinie für Sammelklagen, um Betroffenen einfacher helfen zu können.

Der frühere Erste Bank-Chef Andreas Treichl kritisierte im Vorfeld im "Ö1-Morgenjournal" das mangelnde Finanzwissen in Österreich. Damit könnten gravierende Fehlentscheidungen vermieden werden.