Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Gabriel Felbermayr, betonte am Sonntag in der ORF-Pressestunde, dass "wir leider noch eine ganze Zeit mit hohen Inflationsraten leben müssen". Die gute Nachricht sei aber, "dass das Schlimmste bei den Steigerungsraten hinter uns liegen dürfte". Das Wifo geht für das Gesamtjahr von einer durchschnittlichen Jahresinflation von 6,5 Prozent aus, es sei aber "durchaus denkbar", dass diese Prognose noch etwas unten revidiert werden könne, da vor allem die Energiepreise zuletzt nachgegeben haben, "der Gaspreis liegt derzeit klar unter unseren damaligen Annahmen", so Felbermayr. Es seien aber Szenarien denkbar, dass die Gaspreise heuer wieder deutlich nach oben gehen, etwa, wenn ein sehr kalter Februar die Füllstände in den Gasspeichern stark reduziert.

Es gebe eine Reihe von Maßnahmen, die zur Inflationsdämpfung zum Einsatz kommen. Felbermayr verweist vor allem auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, also insbesondere die gestiegenen Leitzinsen, "höhere Zinsen bremsen die Investitionsnachfrage". Auch fiskalpolitisch sei hier einiges möglich, denn auch Unterstützungsmaßnahmen würden letztlich die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen steigern. Das Finanzministerium habe in den vergangenen Jahren "viel ausgegeben, viele richtige Hilfen ausgezahlt, aber je mehr man unterstützt, treibt man die Nachfrage an und das ist inflationstreibend".

Die gegenwärtigen protektionistischen Tendenzen auf der Welt würden ebenfalls zu höheren Preisen beitragen, "Protektionismus reduziert den Wettbewerb", hier sei auch die EU gefordert.

Kritik an der "Gießkanne"

Einmal mehr kritisierte der Wifo-Chef in Zusammenhang mit staatlichen Hilfsmaßnahmen die "Gießkanne", die sei bereits in der Coronazeit stark zum Einsatz gekommen, "das ist sehr teuer". Er halte die viele Milliarden Euro schweren staatlichen Unterstützungsmaßnahmen in der Energiekrise zwar für wichtig. Ein zielgerichteterer Einsatz der Mittel wäre sinnvoller gewesen, er sieht zudem eine sinkende Notwendigkeit neuer Maßnahmen. "Wir müssen die Voraussetzungen schaffen, dass wir bei der nächsten Krise zielgerichteter helfen können."

Felbermayr bedauerte mehrfach, dass es verwaltungstechnisch nicht machbar gewesen sei, Hilfen wie die Strompreisbremse an Haushaltsgröße und Einkommenshöhen zu koppeln. Einerseits gebe es zu wenig Anreize zum Energiesparen, bekräftigte Felbermayr und andererseits werde dadurch auch die Inflation angefacht.

Keine Lohnpreisspirale

"Es ist schon klar, dass Lohnsteigerungen dazu führen, dass auch Preise nachhaltig steigen", so Felbermayr. Aber eine Lohnpreisspirale sieht er nicht, "das Wort Spirale mag ich in diesem Zusammenhang nicht". Die zuletzt zum Teil heiß gewordenen KV-Verhandlungen hätten gezeigt, "dass die sozialpartnerschaftliche Lohnpolitik eigentlich funktioniert – auch in Zeiten des Stresses". Die Kaufkraft werde dank der Abschlüsse für heuer und kommendes Jahr gesteigert.

Mietpreissteigerungen abflachen

Es gehöre auch überlegt, wie die Mietpreissteigerungen abgeflacht werden können, so Felbermayr. Der Anstieg sei schon in den vergangenen Jahren erfolgt und nun durch die Teuerung verschärft worden. Es steigen nicht nur Mieten, auch die Betriebskosten. Grundsätzlich gebe es in den heimischen Ballungszentren zu wenig Angebot im Vergleich zur Nachfrage, was die Preise anheize. "Da würde ich vor weiteren Zuschüssen warnen, ohne darüber fundamental nachzudenken." Es gebe auch international Beleg in Richtung einer zunehmenden Monopolisierung, es handle sich auch um ein Wettbewerbsthema.

Preistreiberei? "Ein Blick darauf tut sicher gut"

In dem Zusammenhang mit dem Wettbewerbsthema forderte der Wissenschafter eine Stärkung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die auf solche Themen "sehr genau angesetzt" gehöre. "Da gehört sicher bei den Ressourcen nachgelegt", so Felbermayr über die Ausstattung der BWB. Es könne sein, dass es durch starke Konzentrationen Preistreiberei gebe. "Ein Blick darauf tut sicher gut."

"Bedauerlich"

Dass es keine größere Reform der Arbeitslosenversicherung gibt, weil sich ÖVP und Grüne nicht einigen konnte, bedauerte der Wifo-Chef. Die Thematik müsse in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden. Zu besseren Anreizen, auch im etwas höheren Alter noch weiter zu arbeiten, sagte Felbermayr sinngemäß, dass das zwar gut sei, aber auch kein echter Hebel bezogen auf die Zahl der lukrierbaren Arbeitskräfte. Vielmehr sei hierzulande das Teilzeitniveau viel zu hoch und viel zu wenige Frauen stünden im Arbeitsleben, bekräftigte Felbermayr.