Die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS erwarten für heuer 4,3 bzw. 3,8 Prozent BIP-Wachstum, im März waren noch 3,9 bzw. 3,6 Prozent vorhergesagt. Das zweite Quartal schätzen die Institute unterschiedlich ein - das Wifo geht noch von einem deutlichen Wachstum aus, das IHS von einer Stagnation. Für den weiteren Jahresverlauf ist aber jedenfalls - wie auch weltweit - nur noch mit einem geringen Wachstum zu rechnen. Für 2023 nahmen die Institute dafür ihre Vorhersagen auf 1,6 bzw. 1,4 Prozent und damit doch sehr deutlich zurück. Im März hatten sie noch 2,0 bzw. 2,3 Prozent Wachstum erwartet.

Der Aufschwung der Weltwirtschaft wird in beiden Prognosejahren durch mehrere Faktoren gedämpft, sagen Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Direktor Klaus Neusser am Mittwoch. Dazu zählen die Nachwirkungen der Covid-19-Krise, der Ukraine-Krieg, der fortgesetzte Preisauftrieb, anhaltende Unterbrechungen der Lieferketten und die Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken. Jeder dieser Faktoren könnte bereits für sich genommen die globale Expansion beeinträchtigen. Im aktuellen Umfeld treten sie jedoch gemeinsam in Erscheinung. Infolgedessen wird sich das Wachstum der Weltwirtschaft verlangsamen.

Diese Entwicklung wirkt über den Außenhandel in zweifacher Weise auf die österreichische Volkswirtschaft ein. Einerseits dämpft die Abschwächung der Weltkonjunktur den Ausblick für die heimischen Güterexporte und damit für die Industrie. Andererseits stellen die markant gestiegenen Weltmarktpreise für Rohstoffe und Intermediärgüter einen negativen Terms-of-Trade-Schock dar, welcher den inländischen Preisauftrieb prägt und die realen Haushaltseinkommen belastet.

Kräftige Erholung des Tourismus

Dem steht jedoch eine äußerst kräftige Erholung des Tourismus gegenüber, die mit hohen Zuwächsen im Dienstleistungsexport und damit in der Wertschöpfung der Marktdienstleistungen einhergeht. Vor diesem Hintergrund dürfte die österreichische Volkswirtschaft 2022 um 4,3 % expandieren und damit schwächer wachsen als im Vorjahr. Aufgrund der sektoralen Wachstumsverlagerung – Abschwächung in der Industrie, kräftige Expansion der Marktdienstleistungen – kann sich Österreichs Wirtschaft 2022 noch weitgehend der Abkühlung der globalen Industriekonjunktur entziehen.

Arbeitsmarkt entwickelt sich günstig

2023 dürfte die gesamtwirtschaftliche Dynamik hingegen stärker abebben (+1,6 %). Die günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird in beiden Prognosejahren anhalten. Für 2022 wird ein Anstieg der unselbstständig aktiven Beschäftigung um 3,0 %, für 2023 um 0,9 % erwartet. Aufgrund der lebhaften Arbeitskräftenachfrage ist die Arbeitslosigkeit seit März 2021 im Vorjahresvergleich rückläufig. Dieser Trend wird sich im Prognosezeitraum fortsetzen. Die Arbeitslosenquote
wird 2022 auf 6,3 % sinken und 2023 stagnieren (2021: 8,0 %).
Die erwartete Abflachung des Wirtschaftswachstums dürfte sich erst 2023 dämpfend auf den Preisauftrieb auswirken.