Die Europäische Zentralbank (EZB) hält trotz der sich abschwächenden Pandemie und steigender Inflationszahlen an ihrem ultralockeren Kurs fest. Die Währungshüter sprachen sich für eine Politik der ruhigen Hand aus, wie Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag nach der Zinssitzung sagte.
Der EZB-Rat beschloss, dass die Anleihenkäufe des billionenschweren Krisen-Programms PEPP auch im nächsten Quartal deutlich umfangreicher ausfallen sollen als zum Jahresstart. Damit will die Notenbank vermeiden, dass sich die Finanzierungsbedingungen für Firmen, Staaten und Privathaushalte verschärfen. Denn das könnte die Erholung der Wirtschaft von den Pandemie-Folgen gefährden.
"Ich kann sagen, dass wir etwas optimistischer sind, was die Konjunkturaussichten betrifft, als wir vor drei Monaten waren", sagte Lagarde. Die jüngsten Wirtschaftsdaten deuteten auf eine deutliche Erholung im zweiten Quartal hin. Diese werde sich hoffentlich im dritten Quartal verstärken. Die Zeit für einen Ausstieg aus den umfangreichen Konjunkturhilfen ist aber Lagarde zufolge noch nicht gekommen. "Jede Diskussion über einen Ausstieg aus dem PEPP wäre voreilig, verfrüht", sagte sie. Der EZB-Rat habe sich mit solchen langfristigen Fragen nicht beschäftigt, die zu gegebener Zeit aber anstünden.
"Notfalls Anpassung der Instrumente"
Die Euro-Wächter kündigten zudem an, die PEPP-Ankäufe jeweils in Abhängigkeit von den Marktbedingungen zu tätigen. Dabei werde die EZB die Flexibilität des Programms ausnutzen, sagte Lagarde. Das schließe auch die Berücksichtigung von Saisonalitäts-Überlegungen ein. Die EZB stellte in Aussicht, notfalls alle ihre Instrumente anzupassen.
"Inflationsspuk hin oder her, die EZB bleibt bei ihrer Linie", kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe, die Beschlüsse. "Ihr Vorgehen zeigt eine große Gelassenheit gegenüber dem aktuellen Inflationsanstieg." Statt Inflation zu bekämpfen, werde die EZB wohl noch lange alles tun, um für Stabilität bei Konjunktur, Staaten und Finanzmärkten zu sorgen. Kritischer äußerte sich Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW. "Bei einer Mehrheit im EZB-Rat herrscht offenbar die Sicht vor, dass sich die Euro-Zone nur dann erholen kann, wenn die langfristigen Zinsen auf ihrem historisch niedrigen Niveau verbleiben." Diese Sichtweise überzeuge in einem Umfeld der kräftigen Konjunkturerholung immer weniger.
Die Euro-Notenbank rechnet 2021 nun mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,6 Prozent, statt der bisher vorausgesagten 4,0 Prozent. "Fortschritte bei den Impfkampagnen, die eine allmähliche Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen ermöglichen sollten, dürften den Weg für eine feste Konjunkturerholung im Laufe des Jahres 2021 ebnen", sagte Lagarde.
Inflation zieht weiter an
Die EZB erwartet zudem, dass die Inflation in den nächsten Monaten weiter anzieht. Im Mai lag die Inflationsrate beflügelt durch einen kräftigen Schub bei den Energiepreisen mit 2,0 Prozent sogar leicht über der Zielmarke der EZB. Für das Gesamtjahr 2021 unterstellen die EZB-Volkswirte jetzt eine Teuerungsrate von durchschnittlich 1,9 Prozent. Im März hatten sie nur ein Plus von 1,5 Prozent vorhergesagt. Aus Sicht der Notenbank ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten aber nicht nachhaltig. Für 2022 sehen die neuen Projektionen lediglich eine Inflation von 1,5 Prozent vor.
Ihren Leitzins zur Versorgung der Wirtschaft mit Geld beließen die Euro-Wächter auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Seit März 2016 liegt er bereits auf diesem Niveau. Der Einlagesatz bleibt bei minus 0,5 Prozent. Geldhäuser müssen somit weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank horten.