Wie bedeutend der Schifffahrtskanal, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet, für die Weltwirtschaft eigentlich ist, rückte die Havarie des 400 Meter langen, 59 Meter breiten und 60 Meter hohen Frachtschiffs "Ever Given" und deren Folgen wieder ins allgemeine Bewusstsein. Als Selbstverständlichkeit wird der 1869 eröffnete Schiffahrtskanal gemeinhin betrachtet, gerade so, als befände er sich nicht in einer weltpolitisch höchst labilen Region.

Auf mögliche politische Unbilden allein lässt sich die Anfälligkeit des Wasserweges für Störungen aber keineswegs reduzieren: Immer wieder verunfallten Schiffe in der 24 Meter tiefen Wasserstraße (bei seiner Eröffnung betrug die Wassertiefe gerade einmal acht Meter): 2014 kollidierten zwei Frachtschiffe, es kam zu Verzögerungen. 2017 lief ein japanisches Containerschiff auf Grund, wurde aber binnen Stunden wieder flottgemacht.

Die Position der "Ever Given" laut Website Vesselfinder
Die Position der "Ever Given" laut Website Vesselfinder © Vesselfinder/KK

Der Suez-Kanal, der einspurig befahren wird und über drei Begegnungsstellen verfügt, verkürzt die Handelsverbindung zwischen Asien und Europa für Reeder enorm. Die Strecke von Singapur nach Rotterdam verringert sich durch den Kanal um 6000 Kilometer gegenüber der Fahrt um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas. Ein unschätzbarer Vorteil in der eng getakteten Weltwirtschaft, gemessen in Zeit und Geld.

Der "teuerste Stau" der Geschichte

Kein Wunder also, dass die Blockade durch das Frachtschiff, deren Dauer noch immer nicht absehbar ist, bereits als „teuerster Stau“ in die Geschichte firmiert. Europas größer Versicherer Allianz geht von sechs bis zehn Milliarden Dollar Schaden aus, die der verunglückte Dampfer im Nadelöhr verursacht. Pro Woche. Die Folgekosten könnten durch Verwerfungen weltweiter Lieferketten, verursacht durch die Blockade Hunderter nachfolgender Schiffe, noch deutlich steigen.

Wachsende Sorgen in verschiedensten Branchen vor Engpässen, etwa bei Mikrochips, Erdöl oder Textilien, zeugen von den drohenden Folgen der verstopften Logistik-Aorta für globalisierte Wirtschaftsketten. Rund 30 Prozent des weltweiten Containervolumens werden durch den Suez-Kanal verschifft, das entspricht rund 13 Prozent aller Waren weltweit. Für den Ölhandel hat der Wasserweg besondere Bedeutung.

Vom Versuch, die "Ever Given" zu befreien
Vom Versuch, die "Ever Given" zu befreien © AP

Fragile Handelsketten

Die Verletzlichkeit der zerbrechlichen Handelsketten wird dieser Tage einmal mehr deutlich. Nicht nur der Ölpreis zieht an, auch Maschinen- und Ersatzteile könnten schon bald fehlen, ganze Fabriken stillstehen. Ein querstehender Riesenfrachter kann sich im knapp getimten Welthandel verheerend auf die Arbeitsabläufe chinesischer und europäischer Fabriken auswirken, die so wohl niemand erwartet hätte.

Es ist nicht die erste Sperre des Suez-Kanals. In der Suezkrise 1956 wurde der von Ägypten verstaatlichte Kanal von Israel, Frankreich und Großbritannien militärisch angegriffen. Im Zuge des Sechs-Tage-Krieges zwischen Ägypten und Israel war der Kanal acht Jahre lang, von 1967 bis 1975, blockiert.

Satellitenaufnahme vom Schiff, das die wichtige Wasserstraße seit Tagen blockiert
Satellitenaufnahme vom Schiff, das die wichtige Wasserstraße seit Tagen blockiert © AP

Ägypten verdient Milliarden

Für Ägypten ist der Kanal eine zentrale Einkommensquelle: Das Land am Nil erzielte aus den Durchfahrtsrechten durch den Suez-Kanal im vergangenen Jahr einen Erlös von umgerechnet 4,2 Milliarden Euro. 2020 passierten fast 19.000 Schiffe die Wasserstraße, rund 50 pro Tag. Ägypten entgehen wegen der Blockade hohe und für den Staat unverzichtbare Einnahmen. Denn für jede Durchfahrt kassiert die staatliche Suez-Kanal-Behörde umgerechnet eine Gebühr von rund 250.000 Euro. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft fahren 98 Prozent der Containerschiffe zwischen Deutschland und China üblicherweise durch den Kanal.

193 Kilometer lang, in zehn Jahren erbaut

Gebaut wurde der Suez-Kanal, der einschließlich der Zufahrtskanäle 193 Kilometer lang ist, in den Jahren 1859 bis 1869. Die schleusenlose Wasserstraße ist ein Meerwasserkanal. Die Durchfahrt eines Schiffes darf mit maximal elf bis 16 km/h erfolgen, der Mindestabstand zwischen Schiffen beträgt zwei bis drei Kilometer. Eine Durchfahrt dauert etwa elf Stunden. Im Norden ist der Kanal am Wasserspiegel 345 Meter und an der Sohle 215 Meter breit. Im Süden liegen die entsprechenden Maße bei 280 Meter und 195 Meter.