Seit gut einem Monat ist klar: Daten europäischer Nutzer dürfen nicht ohne Weiteres in die USA transferiert werden. Die von Max Schrems gegründete Datenschutzorganisation NOYB hatte das Abkommen "Privacy Shield" vor dem EuGH zu Fall gebracht.

Nun hat das Urteil erste Folgen. Doch statt Google und Facebook direkt ins Visier zu nehmen, geht NOYB gegen 101 große europäische Internetangebote vor. Konkret wurde bei mehreren Datenschutzbehörden Beschwerde eingelegt. Betroffen sind Webseiten aus verschiedensten Branchen, von Tourismus über Banken, Medien oder Universitäten. Der Vorwurf ist überall derselbe. Die Webseiten nutzen die Tools Google Analytics oder Facebook Connect. Dadurch werden Daten europäischer Nutzer auf Server der Konzerne in den USA transferiert. Google und Facebook sehen das durch sogenannte "Standardvertragsklauseln" gedeckt.

Datenschutz auf EU-Niveau

Eine Ansicht, die sich nicht halten ließe, sagt NOYB-Experte Marco Blocher im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. "Prinzipiell sind solche Einzelverträge möglich. Allerdings muss gewährleistet sein, dass die Daten der EU-Bürger ein vergleichbares Schutzniveau haben, wie in der EU." Und genau das sei bei Google und Facebook nicht der Fall, da aufgrund der Sicherheitsgesetze in den Vereinigten Staaten sich US-Geheimdienste jederzeit Zugang zu diesen Daten verschaffen können.

Doch warum wird jetzt gegen Unternehmen in der EU vorgegangen? "Das Urteil des EuGH adressiert sowohl Exporteure der Daten als auch die Importeure. Die EU-Unternehmen müssen genau prüfen, ob die Daten ihrer Nutzer sicher sind", erklärt Blocher. "Und bei Google und Facebook sind die Daten nicht sicher, das weiß man seit dem NSA-Skandal." Die Datenschützer von NOYB gehen daher davon aus, dass alle Webseiten von EU-Firmen aktuell gegen EU-Recht verstoßen, wenn sie Google Analytics oder Facebook Connect nutzen.

Werbewirtschaft kritisiert Vorgehen

"Das schafft für die Werbewirtschaft in Europa ein großes Problem", erklärt Markus Fallenböck. Er ist ein führendes Mitglied bei IAB Austria, einem Interessensverband der Internetwirtschaft. "Wenn diese Beschwerden durchgehen, verlieren Unternehmen aus der EU die beiden wichtigsten Werbeinstrumente im Internet." Denn es gäbe keine Tools aus der EU, die eine vergleichbare Qualität hätten.

"Gerade im Zuge der Coronakrise hat die Werbung im Internet noch an Bedeutung zugenommen. Der Wegfall dieser Werkzeuge wäre ein schwerer Einschnitt", sagt Fallenböck. Bei allem Verständnis für die Wichtigkeit des Datenschutzes, kritisiert er auch das Vorgehen von NOYB. "Max Schrems löst mit den Beschwerden keine Probleme, sondern er schafft weitere."

US-Gesetze ändern

Tatsächlich vertritt NOYB den Standpunkt, dass eine sichere Übertragung in die USA nur möglich sie, wenn die USA ihr Sicherheitsgesetz ändert. Alternativ wäre es auch denkbar, dass Google und Facebook Rechenzentren in Europa bauen, bei denen sichergestellt ist, dass die US-Geheimdienste keinen Zugriff haben. Oder: "Webseiten-Betreiber nutzen einfach Angebote von Firmen aus der EU", sagt Blocher.