Jetzt steht die Bildung einer neuen Bundesregierung an. Haben Sie an diese regulatorische oder andere Wünsche aus Sicht der Sparkassen?
GABRIELE SEMMELROCK-WERZER: Na ja. Das Traurige ist, dass die österreichische Regierung regulatorisch nicht mehr sehr viel mitspricht. Kein „Gold Plating“ (EU-Regeln übererfüllen) wäre sicher ein Wunsch. Der Rest der Wünsche geht bestimmt eher Richtung Frankfurt und Brüssel. Mein Wunsch an die Regierung ist Hausverstand.

Ihre Erwartung an die neue Chefin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde?
Meine Hoffnung wäre schon, dass sie restriktiver vorgeht als Mario Draghi. Die enormen Programme, Anleihen anzukaufen, sind nicht mehr notwendig. Damit hängt das Finanzsystem, aber auch die Wirtschaft, an einem Tropf, der nicht gesund ist.

Tiefe Zinsen der EZB treffen Banken und Sparer. Vor 200 Jahren wurde die Erste Österreichische Spar-Casse gegründet. Erste Sparerin war die zwölfjährige Marie Schwarz, die am 4. Oktober 1819 das erste Sparbuch erhielt. Hat das Sparen noch Bedeutung?
Natürlich hat sich das Sparen immer gewandelt. Von absoluter Überlebensnotwendigkeit bei Marie Schwarz, bis zum Ansparen in den 1950er und 60er Jahren. Da nahm man noch keine Kredite, sondern hat gespart und gekauft. Das hat sich natürlich gedreht, dennoch ist derzeit das Sparvolumen in Österreich auf einem Höchststand von 260 Milliarden Euro.

Die kleine Sparerin Marie bekam damals vier Prozent Zinsen. Jetzt kriegt man 0,05 Prozent. Zersetzt dies das Sparen?
Anscheinend nicht. Das Weglegen macht noch immer Sinn. Eine extreme Wertigkeit haben für unsere Kunden die Themen Vermögenserhaltung und Vermögensbildung. Mit Sparen geht es wahrscheinlich auf längere Zeit nicht mehr. Wir haben jetzt die Aufgabe, mit unseren Kunden über das Thema Risiko zu sprechen. Was sind die Pläne, was sind die Zeithorizonte? Dann relativiert sich das Risiko. Ich sehe da eine enorme Verantwortung für alle Banken. Wir Sparkassen nehmen uns das sehr zu Herzen.

Was nehmen Sie von 200 Jahren Erste Sparcasse als Erbe mit?
Wir denken an unsere Wurzeln und Werte, die wir auch auf den Prüfstand gestellt haben. Nicht umsonst heißt der Slogan „The Future is yours“, weil wir eine sehr moderne Gründungsurkunde haben, in der steht: „Kein Stand, keine Nation, kein Geschlecht soll ausgeschlossen sein vom Wohlstand.“
In der Urkunde stand auch, in den Bezirken, wo es eine Sparkasse besteht, werde es weit weniger Arme geben. Immer noch Thema?
Ganz sicher, die Zweite Sparkasse, vor mehr als zehn Jahren gegrünet, ist ein Rückbesinnen, sich auch um die kümmern, die sich selbst nicht helfen können.

Die viertälteste Sparkasse in Österreich war 1835 die Kärntner Sparkasse. Auch sie hat alle Revolutionen, Diktatur, Kriege und Börsenkrachs überlebt. Was macht das Fundament aus, mit dem die die Sparkassen das überstanden?
Das Fundament macht der Wertekatalog aus. Als die Kärntner Sparkasse im Krieg die ausgebombt war, stand sie schon einmal an der Kippe, wo man gesagt hat, macht das noch Sinn? Aber da haben sich auch wieder Leute gefunden, die sagten: Oh ja, es macht Sinn, wir machen weiter! Die Werte spiegeln sich in der Eigentümerstruktur der Kärntner Sparkasse und ihrem gemeinnützigen Charakter wieder. Das ist auch der große Unterschied zum Genossenschaftssektor, der sich auch um die Leute vor Ort kümmert. Aber unser Thema ist, dass wir immer den Überschuss in das Gemeinwesen investiert haben. Für 2018 betrug die Dividende 2,5 Millionen Euro, davon 75 Prozent an die Kärntner Sparkasse Stiftung und ein Teil geht in Förderung von Kultur, Soziales, Bildung, Jugend. So machen wir es seit 184 Jahren. Das unterscheidet uns schon und stiftet Sinn.

Jetzt passiert wieder eine Revolution. Neue Technologien stellen die Banken infrage. Müssen sich die Sparkassen neu erfinden?
Da haben wir wieder das Glück, dass wir Sparkassen im Verbund sind und gemeinsam Entwicklungen machen, natürlich getrieben durch die Erste Bank. Mit „George“ haben wird ein extrem modernes, komfortables Online Banking herausgebracht. Natürlich stimmt es, dass viele sagen: Wozu brauche ich euch!? Wir glauben daran, dass Beratung und Stabilität im Finanzleben ein Wertegerüst braucht, auf dem man aufbauen kann. Wir bieten daher dem Kunden mit der Omni-Channel-Idee alles an. Beratung macht der Betreuer, die Transaktionen „George“, schnelle Nachfragen ein Chat. Von 111.220 Kontoinhabern der Kärntner Sparkasse sind 60 Prozent aktive George-Nutzer.

Wie läuft Ihr Geschäft im Jubiläumsjahr der Sparkassen?
Wir wachsen so stark in den letzten Jahren und gewinnen wie im Vorjahr 2500 dazu. Im Bau- und Wohngeschäft haben ein extrem gutes Wachstum, das ist unsere besondere Stärke. Auch in Slowenien, wo wir 184.000 Kunden haben.

Für die Erste Bank, die 25 Prozent an der Kärntner Sparkasse hält, gibt es kaum ein schöneres Geburtstagsgeschenk, als dass die Erste Group AG mit aktuell 12,5 Milliarden Euro Börsewert heuer auch schon einmal die einst stolze Deutsche Bank übertraf?
Das müssen Sie Andreas Treichl fragen. Und da sieht man, was wirklich nachhaltige Geschäftsmodelle ereichen.