Derzeit wird die Klimadiskussion auch von Forderungen nach der Einführung einer Fleischsteuer dominiert. Ausgehend von Deutschland, wo das Umweltbundesamt in einer Stellungnahme die Einführung einer Steuer auf den Konsum von Fleisch thematisiert wurde, da die Produktion von tierischen Landwirtschaftsprodukten einen Beitrag zur Treibhausemission leiste. Die Debatte ist auch in Österreich angekommen. Das würde eine solche Steuer tatsächlich etwas bewirken? Und ist Fleisch tatsächlich zu billig? Wir haben Experten aus Landwirtschaft, Handel, Umwelt- und Konsumentenschutz befragt:

"Fleisch ist nicht billig oder teuer, sondern wertvoll"

Hannes Royer, Bergbauer, Gründer der Lebensmittel- Plattform „Land schafft Leben“: Als Bauer und bewusster Konsument möchte ich die Frage wegbringen vom Begriff „billig“. Fleisch ist für mich nicht billig oder teuer, sondern wertvoll. Fleisch stammt von Lebewesen. Fleisch kommt in Österreich von bäuerlichen Familienbetrieben. Von Tieren, die seit Jahrhunderten unser Landschaftsbild prägen. Und Fleisch ist für mich unverzichtbarer Bestandteil unserer Esskultur. Schnitzel und Tafelspitz sind so etwas wie unser Beitrag zum „kulinarischen Weltkulturerbe“. Was ist uns das alles wert? Spiegelt sich dieser Wert im Preis wider? Fleisch ist heute billiger zu haben denn je, in beliebigen Mengen, jederzeit. Weil es am Weltmarkt gehandelt wird. Auf diesem Weltmarkt trifft sich Fleisch aus unterschiedlichen Herkünften. Vor allem in Großküchen landet viel Importfleisch. Weil es billiger ist. Weil es irgendwo in der Welt produziert wurde, wo es nicht ansatzweise Sensibilität für Tierwohl gibt und auch keine Debatte darüber wie bei uns. Immer mehr Tierwohl wird von Bauern gefordert und gleichzeitig öffnen wir Importfleisch Tür und Tor. Diese Unvereinbarkeit sollten wir angehen, bevor wir uns fragen, ob Fleisch zu billig ist.

"Fleischsteuer würde das Gegenteil bewirken"

Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands: Die industrielle Fleischproduktion gilt weltweit als einer der größten Verursacher von Treibhausgasen und ist global betrachtet für fast ein Fünftel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Klimaentscheidend ist allerdings die Art und Weise der Fleischerzeugung sowie die Länge der Transportwege. So ist importiertes Billigfleisch aus Brasilien viel schädlicher für das Klima als heimisches Qualitätsfleisch aus biologischer Produktion. Seit einigen Tagen wird nun in Deutschland über eine „Klimasteuer“ auf Fleisch diskutiert. Die Mehreinnahmen sollen der Landwirtschaft für eine tiergerechte, klimaschonende Haltung zukommen. Mittlerweile ist die Debatte auch auf Österreich übergeschwappt. Doch können wir mit einer Fleischsteuer tatsächlich das Klima retten oder zumindest das Tierleid lindern? Nein! Im Gegenteil, damit würden wir untere Einkommensschichten zwingen, noch stärker auf klimaschädliche Billiglebensmittel aus dem Ausland zurückzugreifen. Was wir tatsächlich brauchen, ist eine Stärkung der kleinstrukturierten österreichischen Landwirtschaft. Unser gemeinsames Interesse - die Wertigkeit unserer Lebensmittel - muss alle in der Produktions- und Lieferkette vereinen, auch die Politik.

"Wer billiges Fleisch wählt, lässt Umwelt bezahlen"

Thomas Geiger, Global 2000: Der Sonderbericht des Weltklimarats hat die Debatte über die Auswirkungen des Fleischkonsums neu entfacht. Fest steht, dass die derzeitige Form des Fleischkonsums das Klima belastet und enorme Auswirkungen auf unseren Planeten hat. Jedes Mal, wenn wir Fleisch essen, treffen wir eine Entscheidung, denn es ist nicht wurst, welches Schnitzel auf unserem Teller landet. Rindfleisch hinterlässt den größten ökologischen Fußabdruck, da in der Massentierhaltung zum Beispiel Futtermittel wie Sojaschrot aus Übersee importiert werden, für die Naturräume oft unwiderruflich gerodet wurden. Fakt ist, wer sich für billiges Fleisch entscheidet, lässt die Umwelt und Tiere dafür bezahlen. Die Klimakrise stellt eine der größten Herausforderungen der Menschheitsgeschichte dar. Will man diese effektiv bekämpfen, so muss sofort politisch gegengesteuert werden. Die angesprochene Anhebung, noch dazu eine nach Herstellungsart undifferenzierte Steuer auf Fleisch, ist für sich genommen keine Lösung. Vielmehr entscheidend ist, dass regionale, qualitativ hochwertige und ökologisch tragbare Lebensmittel für alle leistbar sind und eine entsprechende Landwirtschaft unterstützt wird.

"Mehr Tierwohl statt Schnitzelsteuer"

Gabriele Zgubic, AK, Leiterin Konsumentenschutz: Im Fokus der Klimaschutzdebatte steht auch der Fleischkonsum: Die Massentierhaltung trägt zur Klimaerwärmung bei. Rettet ein höherer Fleischpreis aber das Klima? Richtig ist, die Massentierhaltung ist schädlich: für die Umwelt, Klima, Tier und Mensch. Lebensmittelpreise sind aber auch eine soziale Frage. Menschen mit geringem Einkommen müssen beim Einkauf jeden Cent umdrehen. Eine Verteuerung des Fleischpreises ohne Änderung der Standards für Nutztierhaltung hilft dem Klima wenig und belastet Menschen mit schmaler Geldbörse. Ein guter Zeitpunkt, um über Tierwohl zu diskutieren. Seit Jahrzehnten fordert die AK mehr Tierschutz in der Landwirtschaft. Auch Futtermittel sollten ein Thema sein - muss etwa Sojafutter um die halbe Welt transportiert werden und so viel wertvollen Boden verbrauchen? Es braucht strengere Mindeststandards. Eine Herkunftsangabe, ohne gleichzeitig die Produktionsbedingungen zu erklären, ist zu wenig. Die effektivste Lenkungsmaßnahme ist die Landwirtschaftsförderung, dabei wird nur ein Bruchteil zur Verbesserung des Tierwohls verwendet. Es braucht eine Bindung der Agrarförderungen an den Klimaschutz.