In zwei Wochen stimmt das Europäische Parlament über die geplante Urheberrechtsnovelle ab. Nach wie vor ist das Thema hochumstritten, vor allem der Artikel 13, der Online-Plattformen wie Youtube betrifft. In einem Interview mit der Deutschen Welle legt Axel Voss, Chefverhandler des EU-Parlaments zur Urheberrechtsreform, nun kräftig nach.

Voss, ein Politiker der an sich wirtschaftsfreundlichen CDU, überlegt laut eine Zerschlagung von Diensten wie Googles Videodienst Youtube: "Sie (gemeint ist Youtube, Anm.) haben ein Geschäftsmodell auf dem Eigentum anderer Leute aufgebaut - auf urheberrechtlich geschützten Werken. Wenn es die Absicht der Plattform ist, Leuten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zu geben, dann müssen wir darüber nachdenken, ob diese Art von Geschäft existieren sollte."

Mit der Idee, den IT-Konzern zu zerschlagen ist Voss allerdings nicht alleine. In den USA fordert die demokratische Politikerin Elizabeth Warren ebenfalls, Amazon, Google und Facebook wieder aufzuteilen. Sie ist eine der Bewerberinnen um das demokratische Ticket zur US-Präsidentschaftswahl.

"Merkwürdiger Tiefpunkt für Volkspartei"

"Dass die Europäische Volkspartei nicht zu hundert Prozent durchschaut hat, wie das Internet funktioniert, wissen wir, seit sie Zensurmechanismen wie Upload-Filter als Schutz von Künstlerinnen und Künstlern zu verkaufen versucht", erklärt indes Claudia Gamon, Spitzenkandidatin der Neos für die anstehende EU-Wahl. Und ergänzt: "Dass der Vater der Upload-Filter Axel Voss nun ernsthaft vorschlägt, man könne Youtube überhaupt verbieten, ist ein neuer merkwürdiger Tiefpunkt für die Volkspartei."

Urheberrechtsreform: Was steckt eigentlich dahinter

Generell hat sich in der Politik die Ansicht verfestigt, dass die Machtfülle der IT-Konzerne inzwischen zu groß ist. Aus genau dieser Motivation heraus wurde die Reform des Urheberrechts angestoßen. Die Idee: Jene, die Inhalte schaffen, sollen davon - auch finanziell - profitieren, nicht nur Google oder Youtube.

Die Motive sind durchaus nachvollziehbar. Denn bisher haben Urheber relativ wenig Chancen gegen Youtube. Freilich, sie können eine Raubkopie melden. Doch bis Youtube das Filmchen vom Server nimmt, wurde schon vorab Werbung verkauft und sowohl Youtube als auch der Raubkopierer haben die Profite eingestreift. Bei Musik ist Youtube schon ein Stück weiter. Nach dem Upload wird ein Video analysiert. Wird erkannt, dass geschützte Musik abgespielt wird, gehen die Werbeeinnahmen nicht mehr an den Raubkopierer, sondern an den Rechteinhaber - meist nicht der Künstler, sondern Musiklabels und Verwertungsagenturen.

Der Raubkopierer, der Nutzer, bekommt eine Verwarnung. Erst nach drei Verwarnungen wird er dann gesperrt. Was ihn natürlich nicht hindert, einen neuen Account zu eröffnen. Für die Urheber ist diese Situation natürlich nicht zufriedenstellen. Deshalb haben 230 Organisationen und Verbände aus der Verlags- und Kreativbranche haben in einem Offenen Brief das EU-Parlament, der EU-Urheberrechtsrichtlinie zuzustimmen.

Die Sache mit dem "Uploadfilter"

Einer der größten Gegner ist natürlich Youtube selbst. Der Konzern hat in den vergangenen Monaten keine Mühen gescheut, um gegen das Gesetz zu lobbyieren. Hauptargument der Kritiker der Reform: Sie sei ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit. Konkret beziehen sie sich dabei auf den Punkt 4 im Artikel 13. Julia Reda, EU-Abgeordnete der Piratenpartei, hat den Text online gestellt (Englisch).

In dem Punkt steht, dass die Online-Plattformen für Verstöße gegen das Urheberrecht zur Rechenschaft gezogen werden können. Sprich: Bei einem Verstoß gegen das Urheberrecht muss Youtube zahlen, nicht mehr der Nutzer, der das Video hochgeladen hat. 

Es gibt aber drei Ausnahmen, wie Youtube und Co. Strafen vermeiden können. 1. Sie haben die Zustimmung der Urheber, sprich Verträge mit Plattenlabels und Verwertungsagenturen. 2. Sie haben sich größte Mühe gegeben, sicherzustellen, dass urheberrechtlich geschütztes Material nicht verfügbar ist. 3. Sie haben sofort nach Benachrichtigung über einen Urheberrechtsverstoß reagiert und garantieren, dass besagter Inhalt nicht mehr auf ihren Plattformen auftaucht.

Kritiker argumentieren, dass vor allem die Punkte 2 und 3 nur umgesetzt werden können, wenn die Inhalte automatisch gescannt werden, bevor sie online gehen, wenn es also einen "Uploadfilter" gibt. Sie fürchten, dass solche Uploadfilter die Meinungsfreiheit einschränken und zum Beispiel Satire unmöglich machen, wie Memes mit Bilder von TV-Shows, die natürlich urheberrechtlich geschützt sind. Außerdem sind solche Uploadfilter teuer. Nur große Konzerne wie Youtube können sich das leisten. Kleine Plattformen hätten dann am Markt keien Chance mehr.

Entschärfung

Die EU versucht die Kritiker mit zwei Einschränkungen zu Punkt 4 zu besänftigen. Zu diesem Punkt gibt es zwei Einschränkungen: Bei der Beurteilung, ob eine Strafe fällig ist, muss das Prinzip der Verhältnismäßigkeit angewendet werden. Das betrifft sowohl die Größe der Plattform als auch die möglichen Kosten von Maßnahmen gegen Urheberrechtsverstöße. Außerdem sind Start-ups ausgenommen. Unternehmen, die jünger als drei Jahre sind und weniger als 10 Millionen Euro Jahresumsatz haben, müssen keine Konsequenzen fürchten.

In Punkt 5 wird noch einmal ausdrücklich erwähnt, dass Zitate, Kritik, Karikaturen und Parodien ausgenommen sein sollen. Laut EU soll das genug sein, damit Memes weiterhin möglich sind.

Die Kritiker des Artikel 13 lassen sich dadurch allerdings nicht besänftigen. So seien Lizenzen für kleine Plattformen oft zu teuer. Das würde erst recht nur den großen Konzernen nützen. Auch die Uploadfilter seinen durch die Anpassung nicht vom Tisch.