Amazon hat seine Pläne für einen neuen großen Standort in New York gestrichen. Der weltgrößte Online-Händler verwies dabei am Donnerstag vor allem auf Widerstände aus der Lokalpolitik. Die geplante Ansiedlung in Long Island City im Stadtteil Queens war Ergebnis einer groß angelegten Suche nach einem "zweiten Hauptquartier" als Ergänzung zum bisherigen Firmensitz in Seattle.

Bei dem monatelangen Buhlen um die Gunst des Handelsriesen hatten sich mehrere Dutzend Städte beworben und sich mit ihren Offerten überboten. Amazon entschied sich schließlich dafür, jeweils rund 25.000 Jobs in New York und in North Virginia in der Nähe der Hauptstadt Washington zu schaffen.

In New York konnte sich Amazon auch Hoffnungen auf Steuervergünstigungen von bis zu drei Milliarden Dollar machen. Genau deshalb machen Lokal-Politiker gegen den Plan mobil. Sie kritisieren, dass Steuergeld an ein Unternehmen fließt, dass Milliarden an US-Dollar Gewinn macht. 

Das Vorhaben in North Virginia solle weiter vorangetrieben werden, teilte Amazon mit. Die Suche nach einem weiteren Standort neu zu starten, sei derzeit nicht geplant.

Gespaltene Metropole

Die Reaktionen auf die Entscheidung von Amazon, in New York nun doch kein neues Hauptquartier zu errichten, lässt die US-Metropole gespalten zurück. Erleichtert sind diejenigen, die höhere Mieten und einen Verkehrsinfarkt befürchteten - sauer jene, die sich von der Ansiedlung des US-Onlinekonzerns neue Jobs versprachen.

In Long Island City am Fuße des East River wollte Amazon ebenso wie in Arlington nahe der Hauptstadt Washington ein neues Hauptquartier errichten. Insgesamt sollten an beiden Standorten 50.000 neue Jobs entstehen. Nach heftigen Protesten von Lokalpolitikern und Anwohnern strich der Onlinehändler nun allerdings "enttäuscht" seine Pläne für New York. An Arlington will der Konzern festhalten.

Keine hohen Mieten

Die Amazon-Pläne waren vom New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio und vom Gouverneur des Bundesstaats New York, Andrew Cuomo, unterstützt worden. Allerdings gab es heftigen Gegenwind von Gemeindeaktivisten - die nun triumphieren. "Ich hatte befürchtet, dass eine Menge Leute hierherkommen und es hier wird wie in Manhattan", sagt etwa die Anwohnerin Danielle Quagliata. Nun sei sie erleichtert.

Eine andere Anwohnerin, die anonym bleiben will, fürchtete eine Mietenexplosion und freut sich nun ebenfalls über Amazons Rückzug. Außerdem glaubte sie nicht an die vielen versprochenen Jobs. "Ich denke nicht, dass es die Jobs gewesen wären, die die Menschen hier brauchen."

Carlos Dall'Orso, der im Viertel einen Fahrradladen betreibt, hätte sogar von den vielen neuen Amazon-Mitarbeitern in Long Island City profitieren können. Aber auch er verzichtet lieber. "Als jemand, der im Einzelhandel arbeitet, kann ich nicht viel Nettes über Amazon sagen", sagt er. "Amazon bringt den Einzelhandel um. Wenn der erstmal weg ist, werden sie den Preis kontrollieren und dann werden sie nicht mehr günstig sein."

Von der Idee, dass die Amazon-Mitarbeiter seinem Fahrradladen einen ordentlichen Schub hätten geben können, hält er nicht viel. "Das verlängert nur den Tod", sagt er und vergleicht es mit schlimmen Diagnosen: "Mache ich eine Chemo oder schieße ich mir direkt eine Kugel in den Kopf?"

Keine neuen Jobs

Doch es gibt auch enttäuschte Gesichter. "Denken Sie nur an all die Jobs in der Infrastruktur und Technologie", sagte David Katzen, der vor Ort eine Baufirma besitzt. Hinzu komme die Instandhaltung der Firmengebäude. "All diese Jobs sind futsch." Katzen macht vor allem die Lokalpolitiker für Amazons Entscheidung verantwortlich, für die sei der Protest eine willkommene Gelegenheit gewesen, "um Lärm zu machen".

Einer Umfrage zufolge waren zuletzt 56 Prozent der New Yorker für das Amazon-Projekt in der Metropole und 36 Prozent dagegen. Das Argument der Gegner, der ohnehin überbelastete öffentliche Verkehr würde dann zusammenbrechen, lässt Katzen nicht gelten. Das hätte schon geklappt, sagt er und erwähnt Pläne für zusätzliche Fähren nach Manhattan.

Eine ernüchternde Antwort auf die Furcht vor einer Gentrifizierung des Viertels durch Amazon gibt der Anwohner John Paul Palace, der seit einem Jahr in Long Island City wohnt. "Hier ist doch schon alles gentrifiziert! Deshalb bin ich hierher gezogen." Der Unternehmer Katzen sieht das genauso: "Die Menschen, die mal hier gelebt haben, waren ältere Einwanderer aus Italien und Irland. Die sind längst weg."