Am 1. August. Ausgerechnet. Wer an diesem Datum je in der Schweiz war, der weiß, wie intensiv es die bisweilen reserviert wirkende Schweizer Gesellschaft an diesem Tag zu feiern versteht. Der Nationalfeiertag der Eidgenossen reicht schließlich bis ins Jahr 1291 zurück und hat seinen Ursprung im sagenumwobenen Rütlischwur. Doch weder dieser Mythos noch das ausgeprägte Selbstbewusstsein der Schweizer Wirtschaft konnten das auffangen, was der diesjährige Nationalfeiertag bereithielt. US-Präsident Donald Trump hat die stolze Schweiz just am 1. August mit den weltweit vierthöchsten Zöllen überzogen. 39 Prozent. Das sitzt. Fassungslosigkeit machte sich breit, schnell war von einem „Zollschock, der in die Handelskatastrophe“ führen könne, die Rede. Die USA sind für die Schweizer Wirtschaft der wichtigste Einzelexportmarkt, knapp 19 Prozent aller Ausfuhren – mit einem Volumen von 65 Milliarden Franken – gingen im Vorjahr in die Vereinigten Staaten.

In den Tagen nach der transatlantischen Schreckensnachricht begann auf so manchem Schweizer Online-Portal ein regelrechter Wettlauf darum, möglichst viele Bilder von Trump mit einer Rolex-Luxusuhr am Handgelenk, zu zeigen. Sie sind tatsächlich nicht schwer zu finden. Selbst Uhren, die Trump in eigener Kollektion selbst verkauft ziert das weltweit gefragte Label „swiss made“. Ob Rolex, Breitling Patek Philippe, Audemars Piguet, Omega oder Tag Heuer – die Schweizer Uhrenindustrie hat insbesondere im Luxussegment global einzigartiges Prestige. Und die USA erweisen sich als besonders kauffreudiger Markt. Nachdem China als Exportmarkt schwächelt sind US-Kunden die Hauptabnehmer der Chronographen. Allein im ersten Halbjahr gingen Schweizer Uhren im Wert von 2,56 Milliarden Franken nach Übersee, 2024 lag das Volumen bei 4,3 Milliarden Franken. Wenn nun aber auf die ohnehin hochpreisigen Edelstücke noch einmal knapp 40 Prozent Zollaufschlag draufkommen, könnte die Nachfrage schlagartig einbrechen, so die Befürchtung. Zumal sich „swiss made“ nicht über Produktionsverlagerungen transferieren lässt.

Von der teuren Uhr über das berühmte Schweizer Messer, Hersteller Victorinox exportiert zu 20 Prozent in die USA, bis hin zum Kräuterzuckerl, 40 Prozent der Ausfuhren von Ricola gehen in die USA: Wenn der US-Markt markant einbricht, stehen die Schweizer Marken-Legenden vor großen Problemen. Auch für die renommierten Schweizer Schoko-Hersteller, bekannte Marken sind u. a. Cailler, Frey Ovomaltine oder Toblerone (mit US-Mutter Mondelez), zählen die Vereinigten Staaten zu den wichtigsten Absatzmärkten. Viele Hersteller, wie etwa Branchenprimus Lindt&Sprüngli, haben aber auch große US-Produktionsstätten, um den Markt möglichst lokal – und damit zollfrei – zu bedienen.

Als „entscheidenden Markt“ bezeichnet auch die „Switzerland Cheese Marketing AG“ die USA. „2024 wurden die USA zum drittgrößten Exportmarkt für Schweizer Käse mit einem Exportvolumen von insgesamt 8774 Tonnen“, wird betont. Fast die Hälfte des Käseexports entfällt mit 4341 Tonnen dabei auf „Le Gruyère AOP“ – binnen eines Jahres hat sich diese US-Exportmenge um 13 Prozent erhöht.

Beim Blick auf die größten Konzerne der Schweiz, darunter das Hightech-Unternehmen ABB, der Bankenriese UBS oder der zweitgrößte Rückversicherungskonzern der Welt, Swiss-Re, stechen zwei Bereiche besonders hervor: Zum einen Nestlé, der größte Nahrungsmittelkonzern der Erde. Nestlé produziert weltweit, exportiert also kaum direkt von der Schweiz in die USA, eine prominente Ausnahme: Die Kaffeekapseln von Nespresso, die primär in der Schweiz hergestellt werden und in den USA laut „NZZ“ schon teurer geworden sind. Die zweite Auffälligkeit: Die Giganten aus der Pharmabranche, allen voran Roche und Novartis. Sie sind zwar vorerst noch von den Zöllen ausgenommen. Aber nur, weil sich Trump die globalen Pharmariesen gesondert vorknöpfen will. Um die Medikamentenpreise in Amerika nach unten zu drücken, hat Trump bereits mit Zöllen von bis zu 250 Prozent gedroht.