Wegen gescheiterter Offshore-Windkraftprojekte klagen zwei Tochterunternehmen des heimischen Bauriesen Strabag die deutsche Regierung. Sie wollen ihre hohen Schadenersatzansprüche über ein Vollstreckungsverfahren durchsetzen und wählten dabei einen Umweg über die USA: ein Verfahren vor dem Bezirksgericht in Washington. D. C..

Hintergrund ist ein Schiedsspruch des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) der Weltbank. Diese gab der Strabag im Dezember recht und setzte eine Schadensersatzzahlung von 240 Millionen Euro plus Zinsen fest. Die Strabag fordert nun insgesamt 335 Millionen Euro an Schadensersatz – inklusive Zinsen von 92,5 Millionen Euro. Die Kleine Zeitung berichtete.

Attac attackiert Strabag

Die globalisierungskritische NGO Attac sieht darin einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht. „Diese Klage der Strabag untergräbt nicht nur europäisches Recht, sondern auch den demokratischen Handlungsspielraum von Staaten. Sie zeigt die ganze Absurdität der weltweiten Paralleljustiz für Konzerne“, kritisiert Max Hollweg von Attac Österreich. Die Strabag nutze diese Sonderrechte „schamlos auf Kosten der Allgemeinheit aus“. Attac fordert ein weltweites „Ende dieser Paralleljustiz, der bereits immer mehr Staaten den Rücken kehren*.

Die Summe von knapp 350 Millionen Euro würde fast das Dreifache dessen betragen, was die Strabag in das Projekt investiert hatte, behauptet Attac. Zusätzlich zu dieser Klage habe die Strabag bereits vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht eine Entschädigung von drei Millionen Euro erstritten.

Private Schiedsgerichte

Laut Attac seien private Schiedsgerichts-Klagen von EU-Unternehmen gegen EU-Mitgliedsstaaten vom Europäischen Gerichtshof bereits 2021 verboten worden, da sie gegen EU-Recht verstoßen würden. Die Schiedsgerichte würden jedoch in ihren Urteilen den EuGH ignorieren und Staaten dennoch zu Entschädigungszahlungen verurteilen, so der Vorwurf der Nichtregierungsorganisation. Da Deutschland bisher auf den Schiedsspruch nicht reagiert habe, wolle die Strabag diesen nun in den USA durchsetzen und dabei deutsche Vermögenswerte einziehen lassen.

„Österreich soll aus Charta aussteigen“

Ausgangspunkt der Klage der Strabag ist der Energiecharta-Vertrag (ECT). Die EU hat im Mai 2024 ihren Austritt aus dem ECT beschlossen, da dieser auch fossilen Konzernen die Macht gebe, Staaten via Paralleljustiz auf Milliarden zu verklagen, so Attac in einer Aussendung. Zahlreiche EU-Staaten, darunter auch Deutschland, hätten diesen Ausstieg bereits umgesetzt. Österreich ist jedoch bis heute nicht aus dem ECT ausgestiegen. Attac fordert die Bundesregierung auf, aus dem ECT auszusteigen.