„Hobbys? Eigentlich hab ich kein besonderes Hobby. Ich lebte immer für die MAG. Und es zahlt sich aus.“ Unverblümt, aber charmant schmunzelnd, macht Herbert Berthold klar, worüber er an diesem Nachmittag im Deutschlandsberger Wirtschaftspark reden möchte. Über die Arbeit, den Beruf, in Bertholds Fall wohl wirklich eher Berufung. „Meine MAG“ wird er seinen langjährigen Dienstgeber, Hersteller von Anlagen für die Erzeugung von Lackdraht, im Gespräch immer wieder nennen.

92 Jahre ist der Steirer heute alt. Stiegen steigt er schnell, im Austausch ist er aufmerksam. Eigentlich erinnert seine Präzision bei Jahreszahlen an die punktgenaue Arbeit jener Lackiermaschinen, die ihm so wichtig sind und die ersten waren, die „Lackdraht in Haaresdicke herstellen konnten“. Es gibt bei Herbert Berthold keine Jahreszahl, die nicht sitzt. Seine Pension trat er offiziell vor mehr als 25 Jahren an, die Verbindung zu „seiner MAG“ riss nie ab.

Immer wieder ist der „Herr Berthold“, wie ihn alle rufen, im Betrieb präsent, erst jüngst reist er gemeinsam mit dem nunmehrigen Geschäftsführer Andreas Kremshofer nach Warschau. Dort findet ein wichtiges Treffen mit einem ukrainischen Kunden statt. Für Berthold liegt die Reise nahe: „Ich betreue die Ukraine als Markt ja schon seit 1995“.

Auf eine bewegte Geschichte blickt auch die MAG selbst. Fundament ist die Gründung von Eldra, 1948 in Graz. Ist man dort zunächst auf die Herstellung von Kupferdraht spezialisiert, beginnt Eldra bald, eigene Maschinen zur Lackierung von Draht zu entwickeln. Dadurch wird dieser isoliert. Bei elektrischen Maschinen löst die Technologie später eine Revolution aus, weil sie Baugrößen massiv verringert. 1962 gesellt sich schließlich die MAG als Vertriebszweig hinzu, ein paar Jahre später schlägt man unternehmerisch erstmals in Deutschlandsberg auf.

1989: MAG und Herbert Berthold in der Kleinen Zeitung
1989: MAG und Herbert Berthold in der Kleinen Zeitung © Zottler

Zu dieser Zeit ist Herbert Berthold bereits fester Teil des Unternehmens, 1959 tritt er ein. Sukzessive arbeitet er sich im Betrieb nach oben, übernimmt später die Leitung und forciert eine rasante Internationalisierung. 1984 verkauft MAG die erste Maschine nach China, ein Jahr später folgt der Markteintritt in der Sowjetunion. Dieser lohnt sich. „Heißer Draht zu den russischen Fernsehern – Grazer Firma holt 250 Millionen Jahresumsatz aus Beteiligung in UdSSR“ betitelte die Kleine Zeitung im August 1989 eine Geschichte über die MAG.

Ein Geschäft und die Ausdauer

Herr Berthold hat den Artikel ins Büro nach Deutschlandsberg mitgebracht, das Datum mit Leuchtstift hervorgehoben und „WOLMAG“ dazugeschrieben. Das ist der Name jenes russischen Monopolbetriebs, an dem sich die Steirer beteiligten. „Die beiden Geschäftsführer der MAG, Othmar Trantina und Herbert Berthold haben das Geschäft sozusagen mit Ausdauer an Land gezogen“, befindet der Journalist. Eine Eigenschaft, die Herbert Berthold bis heute auszeichnet

Auch in den USA ist der steirische Lackdraht-Spezialist in den 80er-Jahren heiß begehrt, bald zählen so gut wie alle amerikanischen Lackdrahthersteller zur MAG-Kundschaft. Dort, auf der anderen Seite des großen Sees, hält Berthold Vorträge über europäische Investments in den Staaten und trifft auf einen gewissen Bill Clinton, damals Gouverneur in Arkansas und nur kurz später US-Präsident. In Deutschlandsberg legt Herbert Berthold diesen Moment, in Schwarz-Weiß fotografisch festgehalten und auf A4-Papier ausgedruckt, stolz auf den Tisch.

Bill Clinton, damals Gouverneur von Arkansas, und Herbert Berthold
Bill Clinton, damals Gouverneur von Arkansas, und Herbert Berthold © KLZ / RIPIX

„Heute wundere ich mich, wie flexibel ich war“, sagt Berthold, der zwischenzeitlich zwei Jahre lang in der DDR lebt, mit Blick auf die eigene Ost-West-Volatilität und lacht laut – „aber ich hab mich überall angepasst. Und die Leute haben mich einfach mögen“. Außerdem hätte es an seinem Wort „nie etwas zu rütteln gegeben“. Bertholds unternehmerische Zauberformel? „Gute Maschinen, getreue Lieferungen, gutes Service!“

Vom Lehrling zur Führungskraft

Außergewöhnlich ist auch die Ausbildungsbiografie des gebürtigen Kalwangers. 1947 beginnt Berthold, nur mit Volksschulbildung bedacht, eine Schlosser-Lehre bei Böhler in Kapfenberg. Später zieht es ihn zur VÖEST nach Liezen, wo die Karriere des umtriebigen Jungen Fahrt aufnimmt. Berthold macht den Werksmeister, absolviert später die Arbeitermittelschule, legt 1966 die Matura drauf und beginnt ein Jus-Studium.

Die „geistige Beschäftigung“ sei es, die ihm stets wichtig war und ihn weiterhin fit halte, erzählt er. In der Arbeit finde er diese. „Der Beruf“, sagt Herbert Berthold mit feiner Krawatte und buntem Gürtel, „verlangt, dass ich mitdenke. Man muss ja wissen, was die Kunden wollen“.

Herbert Berthold und Andreas Kremshofer, aktueller Chef der MAG machines
Herbert Berthold und Andreas Kremshofer, aktueller Chef der MAG machines © KLZ / RIPIX