Kaiserenkel Karl Habsburg hat angesichts der aktuellen Ukraine-Gespräche vor einer Beschwichtigungspolitik gegenüber Russland gewarnt. „Appeasement funktioniert bei einem totalitären Staat nicht. Diese Erfahrung haben wir im Zweiten Weltkrieg gemacht“, sagte Habsburg der „Kyiv Post“ (Onlineausgabe). Vielmehr sei ein russischer Angriff auf die baltischen Staaten oder Polen „absolut realistisch“, betonte der Ex-EU-Abgeordnete unter Verweis auf wiederholte Aussagen aus Russland.
„Wir können nicht einmal sagen, dass sie uns anlügen, weil sie darüber sprechen, ihren Einfluss ganz bis nach Lissabon auszudehnen“, sagte Habsburg mit Blick auf die Militärdoktrin Russlands, Politikeraussagen oder auch Äußerungen im Staatsfernsehen. „Sie sagen das alles, aber wir möchten es einfach nicht hören. Deshalb ignorieren wir es.“
„Natürlich“ habe Russland bereits mit einem hybriden Krieg gegen Europa begonnen. „Ich sehe definitiv die Möglichkeit eines Krieges mit der NATO, insbesondere was die baltischen Staaten oder Polen betrifft, aber auch außerhalb der NATO, mit Moldau“, präzisierte der Präsident der Paneuropabewegung, der in der Ukraine einen eigenen Radiosender betreibt.
Habsburg: „Sollten alle die Ukraine dabei unterstützen, was sie für uns macht“
Habsburg übte scharfe Kritik an den Einschränkungen bei der militärischen Unterstützung der Ukraine. Einige Beschränkungen, etwa bei der Reichweite von Waffensystemen, seien „absolut inakzeptabel“. Die Ukraine spiele nämlich eine entscheidende Rolle „für uns alle“. „Deshalb sollten wir alle die Ukraine dabei unterstützen, was sie für uns macht. Je früher die Europäer erkennen, dass dieser Kampf hier in der Ukraine buchstäblich für uns geführt wird, umso besser ist es auch für uns alle.“
Eindringlich warnte das Oberhaupt des Hauses Habsburg davor, auf eine Konfliktlösung durch Gebietsabtretungen an Russland zu setzen. „Dieses Konzept der Beschwichtigung - ‚Geben wir ihnen doch ein kleines Stück der Ukraine, es sind ja nur 20 Prozent des Landes und alle werden danach glücklich sein‘ - ist völliger Unsinn“, unterstrich er. Für die Zukunft könne man nur aus der Geschichte lernen, so der Adelige, dessen Vorfahren auch einen Teil der heutigen Ukraine beherrscht hatten. „Wenn jemand sich weigert, aus der Geschichte zu lernen, kann er keine vernünftigen Entscheidungen für die Zukunft treffen“, so Habsburg.
Habsburg zeigt sich als „professioneller Optimist“
Als „professioneller Optimist“ glaube er, dass auch das Regime von Kreml-Chef Wladimir Putin „ein Ablaufdatum“ habe. Derzeit habe Putin aber noch die Mehrheit des russischen Volkes hinter sich, und zwar, weil er den Informationsraum im Land kontrolliere. Diesen müsse man „durchbrechen, um die Wahrheit nach Russland zu bringen“, forderte er. Bewegungen wie jener des Oppositionsführers Alexej Nawalny sei dies gelungen, so Habsburg gegenüber der ukrainischen Zeitung.
In einem ORF-Interview hatte Habsburg jüngst betont, dass er ein Interesse an der europäischen Position Österreichs und der europäischen Position insgesamt habe. „Deswegen auch mein Engagement in der Ukraine und in vielen anderen Orten“, sagte er. Der Frage, ob er sich weiterhin als rechtmäßiger Kaiser Österreichs betrachte, wich er aus. Sein Großvater Karl hatte nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie unter dem Druck von Parlamentariern und Parteien auf seinen Anteil an den Staatsgeschäften verzichtet und das Land verlassen. Infolge der Republiksgründung am 12. November 1918 wurde das regierende Haus enteignet und verlor alle Vorrechte.