„Ich bin mit dem Projekt jung geblieben“, scherzt Klaus Schneider von der ÖBB Infrastruktur AG über die 28 Jahre, der promovierte Wirtschaftsingenieur als Projektleiter gemeinsam mit einem rund 90-köpfigen Team bereits an der Koralmbahn arbeitet. Gerade die letzten drei, vier Jahre haben den Koordinatoren „alles abverlangt“, wie er sagt. Die Herausforderungen reichten von Pandemie bis hin zu Lieferschwierigkeiten, aber im Zielsprint habe man noch einmal alles gegeben.
„Der Berg war anders als erwartet“
Das 6,1 Milliarden Euro schwere Projekt biegt nun, nachdem die Bautätigkeit abgeschlossen ist, in die Zielgerade. Genau in einem Jahr soll das Projekt endgültig fertig sein. Schneider ist zuversichtlich, dass nichts mehr dazwischen kommt: „Die Wahrscheinlichkeit ist kleiner geworden, aber nicht Null.“ In den kommenden Monaten werde man die Koralmbahnstrecke in Sachen Anbindung „in die ÖBB-Welt integrieren“, behördliche Genehmigungsverfahren absolvieren, rund 70 Testfahrten unternehmen sowie Lokführer, Instandhalter und Einsatzkräfte schulen. Im Oktober 2025 wird der Güterverkehr starten, bevor Mitte Dezember der Fahrgastbetrieb beginnt.
„Es geht darum, die Kinderkrankheiten wegzubekommen. Häuslbauer kennen das: Das Haus ist fertig, man kann darin wohnen, aber es fallen einem noch Kleinigkeiten wie fehlende Sockelleisten auf“, zieht der Wirtschaftsingenieur einen Vergleich. Hunderte Einzelbaustellen und zehntausende Menschen waren in den vergangenen Jahren im Blick zu behalten. Das Projekt war nicht immer unumstritten, hatte mitunter Gegenwind und es gab auch Rückschläge wie etwa geologische Probleme beim Tunnelbau und steckengebliebene Bohrer. Oder wie Schneider sagt: „Der Berg war etwas anders als erwartet.“
„Keine 100-prozentige Sicherheit“
Trotz mancher Herausforderungen habe er nie ans Aufhören gedacht. Sein Rezept: „Kurz innehalten, wenn Meilensteine geschafft sind, das ist auch wichtig für das ganze Team.“ Als solche Meilensteine sieht er etwa die Festlegung der Trasse „im Konsens mit der Region“, die auch gehalten habe, der erste Durchschlag 2018 und der zweite 2020. „Man muss hartnäckig bleiben, das Projekt stabil halten, Veränderungen zulassen aber nicht die Grundfesten im Laufe der Jahre in Frage stellen“, betont der Projektleiter. Sonst komme am Ende etwas heraus, was mit dem Ausgangsprojekt nichts mehr zu tun habe.
Hochwasser und Unwetter haben dieses Jahr eine Spur der Verwüstung durch Österreich gezogen. Vielen sind nicht nur die Bilder der überschwemmten Keller und Straßen, sondern vor allem auch jene der Westbahnstrecke nachhaltig in Erinnerung geblieben. Könnte so etwas auch bei der Koralmbahn passieren? „100-prozentige Sicherheit wird man nie haben. Aber wir haben die Koralmbahn unter anderem mit modernen Simulationsverfahren auf ein hundertjährliches Hochwasser ausgerichtet“, sagt Schneider. Bei besonders gefährdeten Gebieten auf der Strecke wie etwa im Laßnitzthal habe man gesonderte Vorkehrungen getroffen. Unter anderem habe man darauf geachtet, dass Wasser Platz hat und nicht durch die Bahn gestaut wird und dass die Bauwerke wie Flutbrücken fungieren.
Bei den ÖBB wird Schneider mitunter scherzhaft Mister Koralmbahn genannt. Darauf angesprochen, lacht er herzlich und empfindet es als Kompliment. Er sagt selbst, dass er für das Projekt auch nach all den vielen Jahren brennt, wie auch sein Team, ohne das es nicht gehe. Bereits als Student an der TU Graz ist der heute 61-Jährige mit der Koralmbahn in Kontakt gekommen, weil einer seiner Professoren an der Machbarkeitsstudie gearbeitet hat. Dass er später einmal der Leiter des Milliardenprojektes sein wird, hätte er damals nicht gedacht.
Aber manchmal kommt es eben anders, als man denkt. Wie auch ein Zeitungsartikel aus den 1960er beweist, den Schneider gefunden hat, in dem bedauert wurde, dass die Koralmbahn wohl nie umgesetzt werden würde.