Selbst erfahrene Tierschützer sind fassungslos: In Pöls-Oberkurzheim (Bezirk Murtal) wurde am Wochenende ein Tierdrama aufgedeckt, das viele Fragen aufwirft. „Begonnen hat es damit, dass in der Nacht von Samstag auf Sonntag 15 Hunde im Gemeindegebiet entlaufen sind“, erzählt Bürgermeister Gernot Esser. Die Huskys und ein Jack Russell Terrier irrten in der Gegend um Pöls herum, zur Sicherheit veröffentlichte die Gemeinde eine Warnung via Facebook. Denn: „Die Hunde sind überhaupt nicht sozialisiert. Zwar waren sie bislang nicht aggressiv, aber man weiß es natürlich nicht, wie sie reagieren.“
Im Zuge eines großen Polizeieinsatzes beim Haus des 46-jährigen Hundehalters wurde Unglaubliches aufgedeckt: „Die Polizei stieß auf zwei bereits verendete Tiere. Ein Hund lag offen herum, der zweite war in einer defekten Tiefkühltruhe. Ein dritter Hund musste noch vor Ort eingeschläfert werden“, ist Gernot Esser hörbar schockiert. Der Kadaver des Tieres in der Truhe wies bereits erhebliche Verwesungsspuren auf. „Das ganze Haus ist voller Kot, die Hunde wurden teils im Keller, teils im Haus gehalten und durften maximal in den Garten hinaus. Den Geruch habe ich heute noch in der Nase, das ist ein Drama“, schildert Esser. Auch in der Aussendung der Polizei ist die Rede von „katastrophalen Zuständen“ und „schwersten hygienischen Missständen“, ein Welpe wurde mit schwersten Verletzungen in einer Hundehütte entdeckt. Er musste letztlich erlöst werden.
Anzeige auf freiem Fuß
Den ganzen Sonntag über versuchten Tierschützer und Experten der Polizei, die auch mit einer Hundestaffel vor Ort war, die Tiere wieder einzufangen. Zwölf sind bislang ins Tierheim Murtal nach Kobenz gebracht worden, drei sind aktuell noch unterwegs. „Es gibt laufend Sichtungen, sie sind nach wie vor im Ortszentrum unterwegs“, so der Bürgermeister. Das Einfangen gestaltet sich schwierig.
Besonders tragisch: Die schlechte Haltung der Hunde war bekannt. „Das Thema beschäftigt uns schon lange“, bestätigt Esser. Eine Freizwingerhaltung wurde bereits vor Jahren aufgelöst, der Mann zog dann in eine Wohnung um, später in sein Elternhaus. „Und es hat sich wieder aufgeschaukelt, es kamen immer mehr Hunde dazu. Nachbarn haben natürlich gemerkt was los ist, der Amtstierarzt war informiert“, kann Esser nicht verstehen, warum nicht früher eingegriffen wurde.
Das Haus des Mannes muss nun sanitätspolizeilich untersucht werden, der Halter zeigte sich bei der Abnahme kooperativ. Gegen den Hundehalter werden strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Tierquälerei geführt. Ihm wird laut Polizei vorgeworfen, im Laufe der vergangenen Monate rund 20 Hunde unter qualvollen Bedingungen gehalten zu haben. Die Staatsanwaltschaft Leoben ordnete eine Anzeige auf freiem Fuß an.
Tiere krank und abgemagert
Die 13 abgenommenen Hunde wurden Montagvormittag im Tierheim tierärztlich untersucht. „Sie sind teils abgemagert, teils krank oder verletzt“, ist Tierheimleiterin Tanja Leitner sprachlos. „Alle sind schüchtern, zurückgezogen und überhaupt nicht zugänglich. Man merkt, dass sie nicht sozialisiert wurden.“ Der Jack Russell Terrier soll angeblich einer Verwandten des Halters gehört haben, wie es mit ihm weitergeht, ist offen. Die Tiere werden nun geimpft und gechipt, „sie bleiben erstmals alle bei uns“, so Leitner.
So reagiert die Behörde
In sozialen Medien wird indes immer mehr Kritik an der Behörde laut, es hätte über Jahre Meldungen über den 46-Jährigen gegeben. „Es stimmt, dass es immer wieder Beschwerden und Anzeigen wegen des Lärms gab“, bestätigt Bezirkshauptfrau-Stellvertreterin Christiane Werni. Der Halter sei laufend von Amtstierärzten kontrolliert werden, das letzte Mal am 20. Jänner. Dabei seien die Tiere aber in einem guten Zustand gewesen: „Bei den Kontrollen haben die Hunde gut ausgeschaut, niemand war verletzt“, so Werni. Sehr wohl gab es aber Übertretungen wegen zielloser Vermehrung, also Inzucht und Qualzucht. „Damit es aber zu einer Abnahme kommt, müssen gewisse gesetzliche Vorgaben eingehalten werden“, betont Werni. Ein Verfahren für ein Tierhalteverbot wurde aber bereits vor dem Vorfall am Sonntag eingeleitet. Die Tiere wurden nun für verfallen erklärt, das heißt, dass sie vom Tierheim an neue Besitzer vermittelt werden.