Graz wählt. Ihre Spitzenkandidatin Elke Kahr warnt schon vorab, will nur in der Politik bleiben, wenn die KPÖ wieder zwei Sitze im Stadtsenat holt. Ist Ihre Partei so verzweifelt?
Aber nein, das ist weder Verzweiflung noch Taktik. Kahr ist gefragt worden, was passiere, wenn die KPÖ einen Stadtratssitz verlieren würde. Darauf sagte sie, sie würde dann dem Jüngeren, also Robert Krotzer den Vortritt lassen. Sie würde auch nicht mehr im Gemeinderat sitzen, aber der Politik nicht völlig den Rücken kehren und sich weiterhin in der Partei engagieren.

Die deutsche Vorzeigelinke Sahra Wagenknecht rechnete zuletzt mit den Linken ab, die sich von der "gut situierten, akademischen Mittelschicht der Großstädte" die Schneid abkaufen lassen. Ist das nicht auch jene Gruppe, die die KPÖ in Graz so stark macht?
Das Potenzial der KPÖ setzt sich aus verschiedenen Gruppen zusammen. Aus Menschen, die konkret sagen, uns taugt, was die KPÖ macht. Es gibt sicher auch Wähler aus dem bürgerlichen Milieu, durchaus auch Akademiker: Denen ist wichtig, dass sich jemand für eine Gruppe einsetzt, die keine Lobby hat. Man wählt aber keine Partei, nur weil es schick ist.    

Womit rechnen Sie persönlich am 26. September?
Wir starten von einem hohen Niveau, aber ich bin guter Dinge, dass die KPÖ zweitstärkste Partei bleibt und zwei Sitze im Stadtrat behält. Beide Stadträte haben auch mit Ressorts wie Gesundheit und Pflege bzw. Verkehr einiges weitergebracht.

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Am 26. Oktober wird das Klimaticket für ganz Österreich eingeführt: ein Angebot für Sie? 
Als Grazerin brauche ich das bundesweite Ticket nicht, ich fahre meist mit dem Fahrrad. Dieses 1-2-3-Ticket ist ohnehin eine der größten Showeinlagen der türkisgrünen Bundesregierung. Vom regionalen 365-Euro-Ticket ist keine Rede mehr: Ich kann Verkehrslandesrat Anton Lang verstehen, wie soll er eine Idee der Grünen im Bund mit Landesmitteln umsetzen?    

Ihre Partei beklagt häufig den Mangel an Wohnungen und kritisiert zugleich die rege Bautätigkeit wie in Graz. Wie passt das zusammen?
Die Frage ist doch: Was wird gebaut? Nicht nur in Graz werden Wohnungen immer teurer. Noch dazu steigen die Fixkosten. Wir brauchen aber leistbare Wohnungen: In der Pandemie haben viele die Arbeit verloren, etliche sind noch in Kurzarbeit ... Ich würde mir wünschen, in Graz werden weitere 1500 Gemeindewohnungen gebaut. Und nicht weitere Anlegerwohnungen, die teils leer stehen oder nur teuer weitervermietet werden.  

Leerstand erheben: Klimt-Weithaler.
Leerstand erheben: Klimt-Weithaler. © (c) KLZ/Nadja Fuchs

Stichwort leere Wohnungen: In einem KPÖ-Antrag ist von der „Zwangsvermietung bei langdauerndem ungerechtfertigten Leerstand“ die Rede …
Das ist richtig: Wir treten ja dafür ein, den Leerstand zu erheben. Wir haben uns auch umgesehen und sind auf Hamburg gekommen: Als sich dort jemand auf längere Frist hin geweigert hat, zu vermieten, griff die Stadt ein und setzte den Vermieter unter Druck. Oder schauen Sie nach Berlin, wo die „Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen" Hunderttausende Unterschriften erhalten hat. Ich weiß, das alles klingt provokant: Aber es bewegt sich sonst nichts.

Konkret: Nach wie vielen Jahren sollte man hierzulande „eingreifen“ können - nach fünf, nach zehn? Und von welchen Wohnungen reden wir genau?
Natürlich nicht vom 200-Quadratmeter-Dachgeschoßausbau mit Pool. Sondern von Wohnungen, die gebraucht werden: von Alleinstehenden, von Paaren, Familien. Ich denke, innerhalb von fünf Jahren kann man sich als Vermieter etwas überlegen. Dann sollten Stadt bzw. Land eingreifen können.

Zur Raumordnung, die im Herbst novelliert werden soll. Welche Punkte dürfen aus KPÖ-Sicht nicht fehlen?
Bodenversiegelung, Rückbauten. Erstere muss einfach das Land regulieren. Und beim Thema Rückbauten denke ich an das Beispiel ATB in Spielberg: Gebäude, Halle stehen mittlerweile leer, da soll das Land zugreifen und die Nachnutzung vorantreiben, bevor im Umkreis ein anderer Betrieb wieder auf der grünen Wiese etwas Neues baut.

ATB Spielberg
ATB Spielberg © R. Ofner

Im Landtagsarchiv ist unter Migration oder Asylwerber kein KPÖ-Antrag zu finden. Warum scheuen die Kommunisten das Thema?
Scheuen wir es? Wir haben unsere Haltung bei den Abstimmungen klar gezeigt. Uns ist egal, wer mit einem Anliegen zu uns kommt. Herkunft, Religion oder sexuelle Orientierung? Jeder Mensch ist gleich viel wert. Man muss aber auch die Relation sehen: Ich bin weder Landeshauptfrau noch Bürgermeisterin, sondern Klubobfrau einer kleinen Oppositionspartei. Wir haben unsere Schwerpunkte – soziale.

Die Steiermark hat im Juli von der Mindestsicherung auf Sozialunterstützung umgestellt. Stehen Betroffene seither Schlange vor Ihrem Büro?
Sie stehen stets Schlange, weil bei uns, als einzige Fraktion, die Türen immer offen sind. Aber natürlich wirkt sich die Sozialunterstützung auch aus. Mich ärgert, dass das Land Steiermark den Spielraum beim Wohnen nicht voll ausgenutzt hat. Salzburger bekommen mehr, das ist ungerecht.

Sie unterstützen die Initiative zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Elementarpädagogik. Wie soll ein „idealer“ Kindergarten aussehen?
Die Gruppengröße muss von 25 auf maximal 20 Kinder gesenkt werden. Mit einer zweiten Pädagogin pro Gruppe. Und für die Vor- und Nachbetreuung muss mehr Zeit sein. Da geht derzeit viel Zeit für Administratives drauf. Und natürlich eine bessere Bezahlung, von einer Teilzeitstelle kann man nicht leben. Am besten wäre ein gemeinsames Gehaltsschema. Da sind die Unterschiede zwischen Magistrat, Privaten und Kirchlichen zu groß. Wir fordern das seit vielen Jahren, aber jetzt herrscht da eine Aufbruchsstimmung.

Klimt-Weithaler.
Klimt-Weithaler. © (c) KLZ/Nadja Fuchs

Die Beschränkung der Redezeit im Landtag ist fix: Müssen Sie üben, um das Limit einzuhalten?
(Lacht). Nein, es wird sich ausgehen müssen. Wichtig ist, dass wir zu relevanten Themen debattieren können. Sonst stellt sich die Frage, wozu 48 Mandatare ein so hohes Salär erhalten? Mehr ärgert mich, dass die Petitionsrechte beschnitten wurden ...  

Inwiefern?
Da versucht man sich lästiger Bürger zu entledigen. Die Hürde ist so hoch, dass sich Steirer schwertun werden, ausreichend Unterschriften zu sammeln, um in den Landtagsausschuss geladen zu werden. 1500 Unterschriften, das steht doch in keiner Relation. In Graz reichen 200 Unterschriften und man kann bei der Gemeinderatswahl antreten. 

Politikerinnen aller Parteien haben beim Gewaltschutz ein starkes Signal gesetzt. Warum gelingt das bei anderen Themen nicht?
Das wundert mich auch ... Diese Gewalt hat uns alle tief getroffen: Ich bin Helga Ahrer von der SPÖ für ihre Initiativen dankbar, auch Landesrätin Doris Kampus und dem Büro von Bogner-Strauß, damit wir etwa bei Ambulanzen Fortschritte erzielen. Vielleicht gibt das ja den Anstoß, dass die Mandatarinnen gemeinsam künftig mehr initiieren.