Die Herausforderung der heutigen Mütter, auf einen Satz destilliert: Sie sollten so arbeiten, als hätten sie kein Kind und das Kind so erziehen, als hätten sie keinen Job. Mütter haben hart darum gekämpft, im Berufsleben wertgeschätzt zu werden und nicht als Unsicherheitsfaktor mit kleinen Lebewesen am Rockschoß zu gelten. Nun heißt es, im Job auch die verlangten hundert Prozent zu geben. Gleichzeitig haben diese kleinen Lebewesen am Rockschoß es auch verdient, mit all ihren Bedürfnissen hundertprozentig ernst genommen zu werden.
Wer folgende Situationen nicht kennt, der werfe den ersten Legostein: Schon einmal die Schulaufführung als wichtigen Abendtermin „verkleidet“, um den Fokus vom eigenen Muttersein wegzulenken? Oder nach einem langen Arbeitstag die Nacht zum Tag gemacht, damit die Geburtstagstorte frühmorgens in ihrer streuseligen Pracht bereitsteht? Und dabei auf keinen Fall die Sprühkerze vergessen! Das stand aber hoffentlich schon in der Einkaufsliste von vorgestern.
Gefangen in der Selbstoptimierung
Dieser Anspruch wird nicht nur von außen an Mütter herangetragen, der ist auch internalisiert. Frauen sind gefangen in der ständigen Selbstoptimierung, zwischen der immerwährenden To-Do-Liste und dem immerwährend schlechten Gewissen. Bin ich präsent genug in der Arbeit, bin ich präsent genug im Leben meiner Kinder?
Die US-amerikanische Frauenrechtlerin Anna Jarvis hat das bereits im Jahr 1907 erkannt und den Muttertag ins Leben gerufen. Sie wollte damit nicht nur ihre eigene Mutter ehren, sondern auch die Rechte von Müttern stärken und die Bedeutung von Pflegearbeit sichtbar machen. Die darauffolgende Kommerzialisierung des Tages lehnte Jarvis aber ab und kämpfte Zeit ihres Lebens erfolglos für eine Abschaffung.
Die vermeintlich „schlechte“ Mutter
Weniger verwunderlich, reden wir 118 Jahre später doch immer noch von denselben Dingen. Und: Die an Mütter gelegten Maßstäbe werden immer enger, je weniger Menschen auf einem Quadratkilometer zusammenleben. Was eine vermeintlich „schlechte“ Mutter ausmacht, hört sich im Zuge der steirischen Gemeinderatswahl 2025 noch so an wie 1907. In einer Gemeinde wurde als Grund, eine weibliche Spitzenkandidatin nicht zu wählen angegeben, sie habe ihr Kind aus Karrieregründen ins Internat „abgeschoben“. Kein Wunder, dass sich auf den Wahllisten so wenig Frauen finden, wenn sie mit solchen ewiggestrigen Einstellungen an den Pranger gestellt werden.
Darum muss auch am heutigen Tag eine Lanze für Mütter gebrochen werden, wie es zuvor schon Millionen Mal passiert ist und auch noch Millionen Mal passieren muss. Mütter brauchen keine roten Rosen und keinen Applaus. Sie brauchen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, bessere Kinderbetreuung, Schutz vor Gewalt und Respekt. Respekt von der Gesellschaft und auch gegenüber sich selbst. Sind sie doch wahre Lebenskünstler, die immer minimal 120 Prozent geben. Kein Wunder: Ist das Leben zweigeteilt, muss es in beiden Hälften mehr als 50 Prozent sein.