Peter Koch ist sicher: Die Geschichte der Steiermark muss neu geschrieben werden. „Wir sind hier auf etwas Einzigartiges gestoßen, auf eine Sensation“, sagt der Projektleiter und AGGA-Präsident Peter Koch. Aber was hat Koch gemeinsam mit Markus Egg, ehemaliger Leiter des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, Klaus Löcker von der Geosphere Austria und Mitgliedern des Vereins „Archäologie Pölstal“ unter der Leitung von Gerfried Kaser gefunden?
Gräber sind in Mitteleuropa einzigartig
Wie schon im November berichtet, stießen die Wissenschafter in Pöls–Oberkurzheim auf potenzielle Hügelgräber. Eine genauere Untersuchung samt Probegrabungen hat nun ergeben: Die Einschätzung der Forscher hat sich bestätigt. Die Formen sind menschengemacht, in einem Grab wurden mehrere unterschiedliche Artefakte aus der Frühzeit gefunden. Einige Stücke stammen aus dem 12. Jahrhundert vor Christus – also der Bronzezeit - andere stammen aus den Jahren 100 bis 15 vor Christus.
Wenige Meter trennen die historischen Funde, die es in dieser Größenordnung in der Steiermark noch nie gegeben hat. Die Ergebnisse des wissenschaftlichen Berichts, der der Kleinen Zeitung vorliegt, verdeutlichen die Dimensionen. Die insgesamt 125 Hügelgräber sind in Ketten angeordnet, verlaufen linear und erstrecken sich auf einer Fläche von 2,6 Kilometern – „das gibt es sonst nur in Stonehenge und Teilen Dänemarks“, sagt Koch.
Die Wissenschafter gehen derzeit davon aus, dass auf dem Gebiet im Murtal ein Dorf mit 4000 bis 6000 Bewohnern gestanden haben dürfte. „Das würde bedeuten, dass es sich hier um eines der großen europäischen Zentren handelt“, erklärt Koch. Die Funde erzählen jedoch noch mehr. Die Forscher fanden beispielsweise neben mehreren Nadeln und Schmuckstücken auch eine Gürtelschnalle. „Es muss eine reiche Gegend gewesen sein“, erklärt Koch die Bedeutung der Grabbeilagen.
Viele offene Fragen
So viel Euphorie die Funde bei den Wissenschaftern entfacht, so viele Fragen werfen sie auf. Koch meint, man würde nun ganz am Beginn der Arbeit stehen, begleitet von vielen Unklarheiten. Wieso wurden bisher keine Leichenteile gefunden? Wie lebten die Menschen vor 2000, 3000 Jahren in der Obersteiermark? Welche Rolle spielte die Region damals? Alles offen.
Fest steht: Die Bestätigung, dass es sich um Hügelgräber aus der Bronze- und Keltenzeit handelt, ist eine Genugtuung für die Historiker, die zuletzt mit mehreren Unwägbarkeiten konfrontiert waren. „In den letzten Monaten gab es verschiedene Versuche, das Projekt schlecht zu reden“, erzählt Koch und spricht über Ellbogenkämpfe in der Wissenschaft..
Suche nach Sponsoren
Aber nicht nur der Konkurrenzkampf setzt zu. Allein die Feststellungsgrabungen, die im April anliefen und die Vermutungen der Historiker bestätigten, kosteten 100.000 Euro. Die großen finanziellen Zuwendungen hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Private Investoren und Gelder des Bundesdenkmalamts haben zuletzt das Projekt über Wasser gehalten.
In Zukunft müsse jedoch mehr Geld aufgetrieben werden. „Wir gehen davon aus, dass wir nun jedes Jahr rund eine Million Euro brauchen – und das am besten über einen Zeitraum der nächsten 20 Jahre“, sagt Koch. Eine stolze Summe in Zeiten der horrenden Budgetkrise. Zuletzt habe man die Ergebnisse der steirischen Landesregierung präsentiert, Koch und seine Kollegen hoffen auf eine positive Resonanz – immerhin gehe es auch darum „ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln“.
Er sagt: Die Grabungen deuten darauf hin, dass die Region wirtschaftlich eines der prägendsten Zentren der Zeit vor Christi gewesen sein dürfte. Das wäre ein neues Kapitel in der Geschichte.