Sofia Goggia gilt als die "wildeste Henne" im Damen-Ski-Zirkus. Stephanie Venier drückte es noch ein bisschen drastischer aus: "Sie ist eine echte Wildsau. Aber das musst du auch sein, um hier in St. Anton gewinnen zu können. Brutaler als sie hat niemand den Ski laufen lassen und ich bin mir fast sicher, so wie sie im untersten Teil gefahren ist, das hat selbst sie nicht so geplant." Dem widersprach die Siegerin vehement: "Nach den beiden Trainingsläufen war mir klar: Im oberen Streckenteil sind wir Mädchen ziemlich gleich schnell. Wenn ich gewinnen will, muss ich unten etwas anders machen als die anderen."

Das tat die 28-Jährige auch: "In meinem Kopf war klar gespeichert - ich kann gewinnen, dazu sind aber volle Attacke und volles Risiko nötig. Als ich dann die Geschwindigkeit gefühlt habe, mein Ski voll auf Zug war, dachte ich nur noch: Lass' es einfach geschehen." Dass sie dabei über das Limit gegangen ist, wie es die Konkurrenz beschrieben hat, war "mir nie bewusst. Ich hatte nicht eine Sekunde ein ungutes Gefühl." Besonders geadelt wurde der Triumph durch Nici Schmidhofer. "Sie ist gefahren wie der Dominik Paris in seiner besten Zeit, eigentlich völlig irre", beschreibt die Steirerin Goggias Auftritt, den sie vom Krankenhaus aus via TV verfolgt hatte. Nächste Woche darf die 31-Jährige das Krankenhaus verlassen.

Mit dem Triumph erfüllte sich die Abfahrts-Olympiasiegerin 2018 einen Traum: "Ich wollte in Österreich auf allen Strecken, die nach berühmten Skirennläufern benannt sind, gewinnen. 2018 triumphierte ich in der Abfahrt auf der Franz-Klammer-Piste in Kleinkirchheim und heute eben auf der Karl-Schranz-Strecke." Warum gerade das für sie so wichtig war, erklärt sie so: "Heuer zu Weihnachten habe ich mit meinen Eltern alte Skirennen im Fernsehen gesehen. Wie Franz Klammer und die anderen damals gefahren sind, war ein Wahnsinn. Die Pisten waren in einem unglaublichen Zustand, es gab keine Sicherheitsnetze, keine Sturzräume."