Im Leben gibt es nicht nur „Rot und Blau“, das weiß Tamara Tippler mittlerweile seit mehr als einem Jahr. Die Steirerin wurde im vergangenen September zum ersten Mal Mutter, Töchterchen Mia feierte mittlerweile bereits ihren ersten Geburtstag und machte die Abreise ins US-amerikanische Beaver Creek nicht unbedingt einfacher. „Einen Tag vor dem Abflug war ich schon sehr emotional. Aber ich weiß, dass sich Papa, Oma und Opa daheim um alles kümmern und es wäre ja auch schlimm, wenn es mir überhaupt nicht nahe gehen würde.“

Mit 33 Jahren arbeitete Tippler zuletzt fest an ihrem Weltcup-Comeback – mit einigen Neuerungen. Im Sommer wechselte die Steirerin ihre Skimarke, fährt nun mit Kästle anstatt Salomon. „Deshalb musste ich zuletzt so viele Abfahrtskilometer wie möglich sammeln.“ Körperlich gehe es ihr nach der Schwangerschaft „sehr gut, ich habe richtig Gas geben können.“ Nur das Knie macht nach einem Knorpelschaden inklusive Operation im Frühjahr noch hier und da Probleme. „Damit hatte ich ein bisserl zu kämpfen, da ging noch nicht alles so, wie ich mir das vorgestellt habe. Aber die letzten Wochen waren dann besser.“

Tamara Tippler mit Freund Oliver und Tochter Mia
Tamara Tippler mit Freund Oliver und Tochter Mia © Bine_photography

Comeback auf Schiene

Am 5. März 2023 bestritt sie in Kvitfjell ihr bisher letztes Weltcup-Rennen. Im Super-G wurde sie damals bei einem österreichischen Dreifachsieg 28. – mit knapp zwei Sekunden Rückstand. „Zu diesem Zeitpunkt ist bei mir nichts mehr gegangen und ich dachte mir, dass ich im Starthaus nichts mehr verloren habe, ich traue mich nicht mehr.“

Seither hat sich jedoch viel verändert. Einige Monate nach der Geburt von Mia sprach sie erstmals über ihr Comeback, beim Weltcup-Finale in Saalbach-Hinterglemm stand sie wieder als Vorläuferin im Starthaus und nun soll die endgültige Rückkehr in die Weltspitze gelingen. Warum das Ganze? „Weil es meine Leidenschaft ist und mein Feuer dafür brennt. Ich will keine Supermama sein, will niemandem etwas beweisen oder Österreich zeigen, wie gut ich bin. Es ist ein Privileg, dass ich diesen Sport als Beruf ausüben kann und dafür kämpfe ich auch.“

Tippler will so viele Abfahrtskilometer wie möglich sammeln
Tippler will so viele Abfahrtskilometer wie möglich sammeln © Kästle

Neue Lockerheit

Dieser „Kampf“ wurde in den vergangenen Tagen und Wochen immer intensiver. Tippler muss sich der internen ÖSV-Qualifikation für den Speed-Auftakt stellen, wäre dann aufgrund ihres „Verletztenstatus“ rund um Startnummer 30 mit dabei. Das Ziel ist klar: „Ich will so weit wie möglich nach vorne.“ Ein Vorteil dabei könnte die Familie in der Heimat sein – auf vielfältige Art und Weise. Denn mit der Verbissenheit ist es vorbei, wie das Speed-Ass ihre neue Lockerheit beschreibt. „Noch nie hat mich etwas in meinem Leben so erfüllt, wie Mia. Sie hat gerade die größte Freude, wenn wir im Garten das Laub zusammenrechen und wir regen uns teilweise über ein paar Hundertstel auf. Keine Frage, ich weine auch, wenn ich nicht liefere. Aber dafür weiß ich viel schneller als in den letzten Jahren wieder, worauf es wirklich im Leben ankommt und das gibt mir Kraft.“

Ihren Kritikern, die es seit der Comeback-Verkündung vor allem auf Social Media gibt, schenkt sie keine Beachtung. „Das, was ich mache, ist etwas Neues, und das kennen die Menschen eben nicht und handeln vielleicht deshalb so.“ Neben der Familie, die ihr Sicherheit gibt, hilft ihr auch die rennfreie Zeit beim Comeback – vor allem im Kopf, um nicht zu verkrampfen. „Es dreht sich nicht alles um Skifahren. Als ich nicht da war, ist auch alles weitergegangen. Keiner läuft dir nach und bettelt, dass du wiederkommst. Das musst du alleine aus Überzeugung machen.“ Überzeugt von den eigenen Qualitäten ist sie nach wie vor, ihr Talent hat sie in den vergangenen Jahren mehrmals bewiesen. Nun könnte mit der neuen Lockerheit im Kopf und der Familie im Herzen ein neues Erfolgskapitel aufgeschlagen werden. „Und wenn ich es nicht aushalte, buche ich ein Ticket und fliege heim. Das ist meine freie Entscheidung und mich kann keiner aufhalten.“