Es geht los! Mit den Kinder-Bewerben erobern heute die kleinen großen Stars als erste die Laufstrecke des Graz-Marathons. Insgesamt werden an diesem Wochenende mehr als 13.000 Laufbegeisterte auf den Beinen sein, und eine davon ist Österreichs aktuell beste Läuferin vieler Distanzen. Julia Mayer bestreitet am Sonntag den Halbmarathon. Mit schweren Beinen aus dem vollen Training heraus peilt sie eine Zeit von 1:12 bis 1:13 Stunden an. Bei ihrem Debüt 2018 in Graz wurde sie in 1:17 Stunden Zweite bei der Staatsmeisterschaft. „Damals hatte ich Träume, einmal die schnellste Österreicherin auf einer Distanz zu werden.“ Dieses Ziel hat sie inzwischen übertroffen. „Aber es ist schwer unlustig, aus dem Training heraus zu laufen. Das ist brutal“, sagt sie und lacht, „aber schnell laufen muss ich sowieso, und das mache ich viel lieber im Wettkampf als allein im Training. Im Rennen sorgt das Adrenalin dafür, dass man sich pusht, und die Stimmung der Zuschauer erleichtert es zusätzlich.“

Mayer wird von Vincent Vermeulen und dessen Sohn Moran Vermeulen, einem ehemaligen Radprofi, trainiert. Mayer ist überzeugt, dass im Trainingsvokabular der Vermeulens das Wort „Mitleid“ nicht existiert. „Je härter das Training, desto besser die Wettkämpfe. Doch währenddessen ist es einfach nur hart. Ich suche dann oft nach Mitleid und versuche, mich selbst zu bemitleiden – aber das bringt nichts. Moran hat sich selbst im Training immer wieder vollkommen abgeschossen. Wenn ich ihm sage, dass es hart ist und jammere, dann lacht er mich nur aus.“ Trotz der hohen Intensität in dieser Trainingsgruppe kommt der Spaß nicht zu kurz – besonders, wenn auch Morans Bruder und Weltcup-Langläufer Mika Vermeulen mit dabei ist.

Später Start in die Saison

Dass Mayer im Herbst noch voll belastet ist, liegt daran, dass sie in diese Saison spät gestartet ist. „Ich hatte nach Olympia mental ein tiefes Loch und wusste nicht, ob ich mich noch einmal aufraffen kann.“ Doch es gelang ihr, und im April bestritt sie die ersten Rennen. „Deshalb habe ich noch Energie.“ Ihr großes Ziel ist der Valencia-Marathon im Dezember. „Bis dahin nehme ich mit, was möglich ist, denn Wettkämpfe sind das beste Training. Ich freue mich darauf, obwohl ich mitten im Marathontraining stecke und Vincent keinen Millimeter vom Gas geht.“ Sie bestreitet die Rennen aus dem hohen Trainingsumfang heraus. „Das macht mich nur härter. Ich gehe auch realistisch rein und weiß, dass ich nicht die Bestleistungsbeine habe.“

Die Fähigkeit, sich zu quälen und dem Ziel alles unterzuordnen, hatte sie schon immer. „Im Leben und im Leistungssport ist es das Beste, die Komfortzone zu verlassen. So wird man ein stärkerer Mensch. Umso brutaler es ist, desto besser wird man. Und: Je fitter man ist, desto schöner ist das Leben. Gar nicht nachdenken, einfach tun.“

Dass sie als Profi mit dem Sport ihren Lebensunterhalt verdient, ist „einerseits ein Druck, aber auch ein Ansporn. Ich habe Leistungsprämien, und wenn ich diese erhalten möchte, muss ich Leistung bringen. Dann lebt es sich auch besser und schöner.“

Ungeduld als Gegner

Bis vor kurzem war die Ungeduld ihre Achillesferse. Sie wollte ihre Ziele sofort erreichen. „Ich war ungeduldig und habe im Training überdramatisiert, war nervös und wollte sofort den Ertrag für das Training haben. Wenn ich den nicht bekomme, dann mache ich noch mehr. Zu viel und damit gleichzeitig alles falsch. Das war bis vor kurzem meine größte Schwäche, dass ich überambitioniert war.“ Die mental schwierige Phase hat sie wohl auch Ruhe gelehrt, erklärt sie: „Ich habe begriffen, dass man nichts erzwingen kann. Man muss seinen eigenen Weg gehen, jeden Tiefschlag, jede Höhe so nehmen, wie sie kommt. Es gibt keine Abkürzungen und keine Vorspultaste.“

Ungeduld und nicht erreichbare Erwartungen an einen selbst würden viel in einem zerstören. „Das war dramatisch kacke – aber da bin ich drüber und viel gelassener. Das merkt man auch im Training, wenn es einfach von der Hand geht. Einfach läuft." Sonst ist sie weiterhin aber geradlinig, straight, wenn sie ihren Plan beim Training oder Essen durchzieht. Die für sie gekochten glutenfreien Spaghetti haben in der Ramsau am Abendtisch zu einer Diskussion mit Mika geführt, der ebenfalls einen sehr strikten Plan hat, weil er sie nicht essen wollte, erzählt sie mit einem Lachen: „Gerade, dass er nicht runter nach Schladming gefahren ist und sich etwas geholt hat.“

Dennoch ist vor allem die Nahrungsaufnahme mit einem hohen Maß an Verzicht verbunden. „Ein Wahnsinn. Aber ich habe ein sehr nettes Umfeld, das neben mir nichts isst, worauf ich verzichten muss. Wenn das ein, zweimal in der Woche ist, wäre das okay, aber wenn das die ganze Zeit so wäre, wäre das dramatisch. Es nimmt jeder Rücksicht und wenn ich es nicht direkt sehe, bekomme ich keinen Gusto.“ Doch braucht es auch Pausen von der Konsequenz. Und die nimmt sich Mayer dann in allen Bereichen. „In Tokio habe ich nach dem WM-Marathon alle Süßigkeiten ausprobiert, die es in Japan gibt. Aber vier Tage später hatte ich wieder genug vom ungesunden Lebensstil. Da weiß man auch wieder, wie leiwand das ist, wenn man sich gesund ernährt, weil dann geht alles viel besser. Es ist gut, wenn man weiß, dass man nicht nur zum Spaß seine Linie fährt, sondern dass es auch Sinn hat.“